Winterfütterung ist Notwendigkeit: „Mästen uns keine Trophäen“

Lebensnotwendige Grundlage und wichtiges Lenkungsinstrument beim Wild —Jäger drängen auf Miteinander aller Waldbenutzer

Trennkost: Beim Fressen gilt Geschlechtertrennung, wie sich bei einem Besuch bei der Klinserfütterung in Hinterstoder zeigt. Dort finden in der kalten Jahreszeit geschätzte 150 Hirsche Nahrung.
Trennkost: Beim Fressen gilt Geschlechtertrennung, wie sich bei einem Besuch bei der Klinserfütterung in Hinterstoder zeigt. Dort finden in der kalten Jahreszeit geschätzte 150 Hirsche Nahrung. © Enöckl

Mensch und Wildtier – ein Thema mit hohem Konfliktpotenzial. Nicht, wenn der Hirsch- oder Rehbraten am Teller liegt, umso mehr aber, wenn der Mensch in den Lebensraum des Wildes eindringt. Das passiert nicht nur, aber vor allem im Winter, in dem die Berge zu großen Tourismusarenen werden.

Im Landesjagdverband setzt man einerseits auf Infokampagnen und versucht andererseits, durch Winterfütterungen dem Rot- und Rehwild den überlebensnotwendigen Raum zu geben. Und mit allen Playern — Gemeinden, Grundeigentümern, Tourismusverbänden und Jagd — gemäß der 2022 gestarteten Initiative „In unserer Natur“ ein Einvernehmen zu erzielen. Eine Modellregion, wo gezeigt wird, wie eine Harmonie aller Waldbenutzer gelingen kann, wenn Fairplay-Regeln eingehalten werden, ist das Stodertal.

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Überleben für Hunderte Hirsche

In Hinter- und Vorderstoder) tummeln sich zu allen Jahreszeiten immer mehr Naurbegeisterte. Im Tal umfasst der Hegebereich 19.000 Hektar, 28 Eigen- und zwei Genossenschaftsjagden sind vertreten. Die größte: Der Herzog von Württembergische Forst- und Jagdbetrieb, wo auf 7600 ha eine wirtschaftliche Bejagung erfolgt. Bei sieben Rotwildfutterstellen treffen sich zwischen 16. Oktober und 15. Mai um die 500 Hirsche — streng getrennt in männliche und weibliche — in Gruppen zu „Fütterungsgemeinschaften“.

Die größte Stelle ist die Klinserfütterung im Talschluss Polsterlucke. Dort wird während der Saison auf etwa drei Hektar tonnenweise „Müsli“ aus Heu, Grassilage, Mais, Apfeltrester und Biertreber in 20 Trögen und Krippen an geschätzte 150 Kostgänger verfüttert, wie Betriebsleiter Klaus Schachinger sagt.

Winter ist Nadelöhr

Doch warum ist das überhaupt nötig? „Der Winter stellt ein Nadelöhr für das Wild dar, weil die Nahrung knapper und energieärmer wird“, sagt Landesjägermeister Herbert Sieghartsleitner. Die Tiere drosseln ihre Körpertemperatur und brauchen Rückzugs- und Ruheräume zum Fressen und Wiederkauen, die auch ohne gesetzliche Regelung respektiert werden sollten. Auch in milden Wintern ist das so, weiß Wildbiologe und Jagdverband-Geschäftsführer Christopher Böck, denn „die biologische Uhr des Wildes ist auch dann auf Winter eingestellt“. Erst, wenn die Tage wieder länger werden, ändert sich das.

Gerade im Winter stört aber der Mensch die Kreise der Tiere. „Diese sind dann in latentem Dauerstress“, so Sieghartsleitner. Werden sie gestört, fahren sie ihren Stoffwechsel wieder hoch, benötigen dadurch wiederum mehr Energie und so werden auch Schäden durch Verbisse höher.

Lebensraum ersetzen

Ein Ausweichen ist für die Tiere immer weniger möglich. „Wer A sagt, muss auch B sagen“, sagt Sieghartsleitner. Heißt: Nehmen wir dem Wild den Lebensraum weg, durch Pisten, Straßen, Verbauung, müssen wir auch Verantwortung übernehmen.

Den verloren gegangenen Lebensraum zu ersetzen, sei ein Grund für die Winterfütterung. Zwei weitere sind, die Tiere (von den Tourismusstätten weg) zu lenken und ihr Verhungern zu verhindern. Den Vorwurf, die Jäger mästen sich dadurch ihre Trophäen, will er daher nicht gelten lassen.

Besucherlenkung oder Touren, die keine sind

Ein Bewusstsein für den Problembereich Mensch/Wild hat man durchaus auch beim OÖ Tourismus, wo man versucht, Naturräume erlebbar zu machen. Hier setzt man auf Akzeptanz. „Wir wissen, dass nicht überall alles geht“, sagt Christian Schilcher vom Bereich Strategie und Tourismusentwicklung. Die Besucherlenkung sei ein großes Thema – und hier vor allem die digitale.

Dabei zeigt sich ein neues Problem. Touren, die eigentlich gar keine sind, werden online gepostet und sind so für die Öffentlichkeit verfügbar. Das führe nicht nur zu Bergrettungseinsätzen, weil sich Wanderer wegen falscher Wegbeschreibungen verirren, sondern auch zu unerwünschten Mensch-Tier-Begegnungen. Eine Bestrebung ist es daher, falsche Touren aus Apps, etc. zu entfernen. Gemeinsam mit dem Alpenverein sei dies bei sechs „Nichttouren“ bereits geglückt.

Zu den fehlgeleiteten Sportlern kommen aber auch jene dazu, die auf Beschilderungen pfeifen und ihre eigenen Spuren ziehen wollen. „Das sind aber nur etwa zwei Prozent, alle anderen halten sich daran“, stellen Sieghartsleitner und Schilcher den meisten Freizeitsportlern dann doch ein gutes Zeugnis aus.

Von Renate Enöckl

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