Corona-Pandemie droht in Rumänien aus dem Ruder zu laufen

Wegen des politischen Dauerstreits zwischen den oppositionellen Postkommunisten (PSD) und der liberalen Minderheitsregierung droht in Rumänien die Corona-Epidemie aus dem Ruder zu laufen.

Wie die Behörden mittlerweile selbst einräumen, haben sie die epidemiologische Lage zurzeit „nicht im Griff“, da ihnen der nötige Rechtsrahmen fehlt, um eine weitere Ausbreitung des neuartigen Virus im Land einigermaßen effizient bekämpfen zu können.

Seit Wochen schon werden in Rumänien symptomfreie oder leicht symptomatische Covid19-Patienten auf Antrag aus den Krankenhäusern entlassen, zudem gibt es weder Quarantäne- noch Absonderungsmaßnahmen, nachdem das als PSD-nah geltende Verfassungsgericht (VG) jüngst den gesamten Rechtsrahmen für epidemiologische Notfälle für verfassungswidrig erklärt hatte.

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Bürgerrechte könnten nur vom Parlament per Organgesetz, nicht per Regierungs- oder Ministerverordnung eingeschränkt werden, so die Urteilsbegründung der rumänischen Verfassungshüter, die damit ein Gesetz aus dem Jahr 2006 für nicht verfassungskonform befanden, das der Exekutive die Möglichkeit einschlägiger Verordnungen eingeräumt hatte.

Der liberale Regierungschef Ludovic Orban reagierte bitter: Seit Ausbruch der Corona-Epidemie im Land sei sein Kabinett „fortwährend von so manchen Politikern und Institutionen sabotiert“ worden – das Verfassungsgericht etwa verhalte sich wie eine „Filiale der PSD“, so Orban.

Quarantäne und Isolationsmaßnahmen nicht durchzusetzen

Zwar erarbeitete die Regierung daraufhin einen neuen Rechtsrahmen für Quarantäne- und Isolationsmaßnahmen, jedoch blockieren die Postkommunisten die Verabschiedung der Gesetzesvorlage im Parlament, in dem sie nach wie vor die Mehrheit halten. Infolge des Rechtsvakuums sind der rumänischen Exekutive gegenwärtig die Hände gebunden – sie muss tatenlos zusehen, wie täglich mehrere hundert SARS-CoV2-infizierte Patienten aufgrund des VG-Urteils ihre Krankenhausentlassung beantragen oder Zehntausende Personen binnen weniger Tage die behördlichen Quarantänezentren verlassen, ohne deren häusliche Absonderung oder sonstige Schutzvorkehrungen irgendwie durchsetzen zu können. Leidtragende der politischen Querelen seien einmal mehr die Bürger, so das Fazit der rumänischen Medien.

Uneins sind sich die Politikbeobachter des Landes nur über die Beweggründe der PSD, die trotz der zunehmend besorgniserregenden Lage – bis zu 700 Neuinfektionen pro Tag, insgesamt knapp 33.000 Infektionsfälle, mehr als 1.900 Covid19-Tote, immer mehr voll ausgelastete Krankenhäuser – jegliche Schutzmaßnahmen auf die lange Bank schiebt: Während einige der Meinung sind, dass die Postkommunisten angesichts ihres Umfragetiefs durch die Verschlechterung der epidemiologischen Situation im Land eine weitere Vertagung der inzwischen für Ende September angesetzten Kommunalwahl sowie der Parlamentswahl vom Dezember anstreben könnten, glauben andere, dass die PSD mit der neuen Krisenlage die guten Umfragewerte der regierenden Liberalen zu schmälern versucht.

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