Coronavirus: Spaniens Opposition lehnt Staatspakt gegen Epidemie ab

Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht sich im Kampf gegen das Coronavirus mit Widerstand der Opposition konfrontiert.

„Ich verlange keine Anerkennung von Ihnen. Das einzige, worum ich Sie bitte, ist Einheit und Loyalität“, sagte der Chef der Minderheitsregierung am Donnerstag im Parlament. Die konservativen Parteien wollen davon aber nichts wissen.

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Sanchez richtete sich ans Parlament, das am Donnerstag der von der Regierung geplanten Verlängerung des Corona-Alarmzustands bis zum 26. April zustimmten sollte.

Der Regierungschef nutzte die Gelegenheit, um sämtliche Parteiführer in der kommenden Woche in den Madrider Moncloa-Regierungspalast einzuladen.

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Er möchte mit allen Parteien, aber auch mit den Präsidenten der 17 spanischen Regionalregierungen, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften einen Staatspakt aushandeln, bei dem sich alle auf eine gemeinsame Strategie mit Blick auf die sozialen und vor allem wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einigen sollen.

Pakt aus 1977 als Vorbild

Als Vorbild nannte Sánchez den Regierungspakt aus dem Jahr 1977, den die damalige konservative Regierung von Adolfo Suárez mit den wichtigsten Parteiführern im Moncloa-Regierungspalast einging.

Kurz zuvor fanden die ersten demokratischen Wahlen nach der Franco-Diktatur statt. Die Wirtschaft lag brach, das demokratische Gefüge war noch schwach. Um den politischen und wirtschaftlichen Übergang zur Demokratie und eine Art Neustart zu garantieren, schmiedeten alle Parteien eine gemeinsame Strategie.

Die Gewerkschaften und der Arbeitgeberverband sind dabei. Die im Baskenland regierenden Nationalisten der PNV erklärten ebenfalls ihre Bereitschaft. Auch die liberal-konservativen Ciudadanos unterstützen einen großen Staatspakt, um die Wirtschaft nach dem Ende des Alarmzustands gemeinsam wiederzubeleben.

Die Formation von Inés Arrimadas will mit am Tisch sitzen, um vor allem den Einfluss des linken Regierungskoalitionspartners Unidas Podemos auf die zukünftigen Wirtschaftsmaßnahmen zu reduzieren.

Krise spaltet das Land

Doch zu einer Neuauflage dieser „Pakte von Moncloa“ wird es wohl kaum kommen. Die Corona-Krise hat das Parlament und das Land politisch nach vier Wochen Alarmzustand gespaltet.

Das Parlament wird am Donnerstag mit den Stimmen der regierenden Sozialisten und Linken sowie der konservativen Oppositionsparteien PP und Ciudadanos die Verlängerung des Alarmzustands beschließen.

Aber eine Sache sei es, einer zeitlichen Verlängerung zuzustimmen, die zur Entlastung des Gesundheitssystems beitrage.

Eine andere, die unzähligen Fehler der Regierung zu unterstützen, stellte PP-Oppositionsführer Pablo Casado klar. Hinter dem Vorschlag eines parteiübergreifenden Staatspaktes vermutet Casado einen Trick, mit dem Sánchez seine politische Verantwortung für Fehlentscheidungen und Inkompetenz bei der Bewältigung der Krise vertuschen will.

„Der Vorschlag klingt nicht ehrlich, wenn er von einer Person kommt, die zwei Wochen nicht zum Telefon griff, um mit uns zu reden und unsere Meinung zu erfahren“, sagte Casado. Sánchez habe bisher versucht, im Alleingang per Dekret die Krise zu bewältigen und dabei die Opposition vollkommen ignoriert.

Er habe „alle Brücken einer Zusammenarbeit“ eingerissen. Tatsächlich beriet sich die Regierung bei der Ausarbeitung der sozialen und wirtschaftlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Folgen der Epidemie nicht mit den Oppositionsparteien.

Selbst die parlamentarischen Kontrollausschüsse waren bisher ausgesetzt und finden erst ab kommender Woche wieder statt, nachdem die konservative Volkspartei mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht drohte.

Regionale Regierungschefs kritisieren Krisenmanagement

Auch ein Großteil der konservativen Regionalregierungen dürfte sich dem von Sánchez vorgeschlagenen Staatspakt entgegenstellen. Schon seit Wochen kritisieren die regionalen Regierungschefs aus Madrid, Murcia, Galicien, Andalusien und Kastilien-León das katastrophale Krisenmanagement der Zentralregierung.

Pannen bei der Bestellung von Corona-Schnelltests, Probleme beim Ankauf und der Verteilung von Schutzmaterial für das Krankenhauspersonal, vor allem aber die zahlreichen politischen Alleingänge, ohne Entscheidungen mit der Opposition oder den Regionalregierungen abzusprechen, haben bereits zum politischen Bruch zwischen den Regionalregierungen und Madrid geführt.

Ohne die Beteiligung der größten Oppositionspartei wird es keinen Staatspakt geben. Aber auch die drittgrößte Parlamentsfraktion, die rechtspopulistische Vox-Partei, gab der Neuauflage der Moncloa-Pakte am Donnerstag eine Absage.

Vox-Chef Santiago Abascal kündigte am Donnerstag an, nicht mehr mit den linken Regierungsparteien zusammenarbeiten zu wollen.

Selbst die Verlängerung des Alarmzustands lehnten sie ab. „Wir werden uns nicht an Ihrer Fahrlässigkeit beteiligen“, so Abascal, der Sánchez die direkte Verantwortung für die Corona-Opfer gab und dessen Rücktritt einforderte.

Auch die baskischen Separatisten von EH Bildu sowie Kataloniens separatistische Linksrepublikaner ERC und Pugidemonts JxCat lehnten einen Staatspakt ab.

Dort werden sich die Parteiführer der vier großen Parteien zusammen mit dem König darauf einigen, den Regionen noch mehr Rechte zum Selbstschutz und zur Wiederbelebung der Wirtschaft zu nehmen, sagte ERC-Sprecher Gabriel Rufian.

Unterdessen wurde Regierungschef Sánchez am Donnerstag nicht müde, die bröckelnde politische Einheit in Spanien zu beschwören.

Das Virus, das in Spanien bisher über 15.200 Opfer forderte und mit dem sich knapp 153.000 Menschen infiziert haben, kenne weder territoriale noch ideologische Grenzen und nur gemeinsam könne man es besiegen, so Sánchez vor einem fast leeren Parlament.

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