Covid nicht bagatellisieren, aber richtig einordnen

Experten mahnen Verhältnismäßigkeit ein – Hausarzt muss Testung entscheiden

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„Die Hoffnung, dass wir das Coronavirus mit strengen Maßnahmen ganz ausrotten können, können wir abhaken“, betonte AGES-Chef Franz Allerberger in einer Pressekonferenz der Ärztekammer (ÄK) OÖ in Linz.

Namhafte Experten appellierten an die Patienten, sich wegen SARS-CoV-2 nicht vor einem Arztbesuch zu fürchten und forderten eine Änderung der Teststrategie ein. Derzeit werde viel zu „unreflektiert“ getestet.

Weltweit haben sich Mediziner bereits mehr als ein halbes Jahr mit SARS-CoV-2 auseinander gesetzt und viele Erkenntnisse gewonnen. Im Gegensatz zum ersten Auftauchen – hierzulande im Frühjahr 2020 –, ist nun klar, dass das Ansteckungsrisiko ohne Sicherheitsmaßnahmen wie Mund-Nasen-Schutz, Abstand halten und Handhygiene 1:3 beträgt.

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„Wobei ein Drittel der Infizierten Covid-19 nicht überträgt und etwa 20 Prozent der Infizierten, sogenannte Superspreader, für 80 Prozent der Ansteckungen verantwortlich sind“, erläuterte Allerberger. „Es ist in Österreich zu keiner Übersterblichkeit gekommen, allerdings ist das Risiko am Coronavirus zu sterben, etwa doppelt so hoch wie an einer saisonalen Grippe“, analysierte Allerberger.

Abwägen von Wirkung und Nebenwirkung

Angesichts dieses Wissens und der im Herbst traditionell beginnenden Saison für Viren aller Art sprachen sich namhafte Experten dafür aus, die Covid-19-Erkrankung „nicht zu bagatellisieren, sondern ernst zu nehmen, aber langsam richtig einzuordnen“. „Es geht um den Respekt vor der Erkrankung aber um einen pragmatischen Zugang“, sagte ÄK-Präsident Peter Niedermoser.

Gesundheitswisssenschafter Martin Sprenger betonte, „dass in der Medizin immer das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gilt. Der Nutzen muss größer sein als die Nebenwirkung.“ Er verwies dabei auf die Nebenwirkungen des Lockdowns wie Arbeitslosigkeit, die auch das Sterberisiko verdopple.

Viele Menschen hätten sich im Frühjahr aus Angst vor SARS-CoV-2 nicht getraut etwa wegen chronischer Leiden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu psychischen Problemen zum Arzt zu gehen, wodurch sich diese verschlechtert hätten. „Wenn wir jetzt wieder Ängste schüren wird die Unterversorgung wieder mehr werden“, warnte er. Es müsse sich ein anderer Umgang mit Infektionskrankheiten etablieren.

Eingefordert wird auch ein Umdenken in der Teststrategie. Petra Apfalter, Leiterin des Instituts für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin am Ordensklinikum Linz, sprach sich gegen die derzeitige Praxis aus, „kreuz und quer“ durch diverse Branchen asymptomatische Personen zu testen. „Derzeit messen wir ein Merkmal, das aber nicht zwingend bedeutet, dass jemand krank ist.“ 90 Prozent der Infektionen würden „absolut keinen schweren Verlauf nehmen“. Es werde zu viel getestet, das entspreche auch nicht der Intention des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Die Entscheidung, ob jemand auf SARS-CoV-2 getestet wird, müsse wieder bei den Ärzten und nicht bei der Hotline 1450 liegen. „Die Hausärzte können einschätzen, woher das Fieber kommt, und ob es, notwendig ist einen Corona-Test zu machen. Wir können auch den Abstrich machen oder veranlassen“, ist Allgemeinmediziner Wolfgang Ziegler, Kurienobmann stv. der niedergelassenen Ärzte, überzeugt.

Hygiene-Konzepte und Ordinationsmanagement

„Die Krankenhaus-Hygiene in Österreich zählt zu den besten. Trauen Sie sich ins Spital“, appellierte Rainer Gattringer, Internist und Mikrobiologe am Klinikum Wels-Grieskirchen. „Die Krankenhäuser haben ihre Hygiene-Konzepte verfeinert, aber auch die Hausärzte haben viel in Sachen Ordinationsmanagement dazugelernt“, so Ziegler. Mittlerweile gebe es ein räumliches und zeitliches Abstandsmanagement.

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