Da bleibt kein Auge trocken

Wiener Staatsoper: „Werther“ mit Piotr Beczala — für alle

Piotr Beczala als Werther und Gaelle Arquez als Charlotte
Piotr Beczala als Werther und Gaelle Arquez als Charlotte © APA/Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Die Wiener Staatsoper unter der Leitung des neuen Direktors Bogdan Roscic hatte gerade für den Dezember dieses Jahres einiges vor: Nicht nur die Premiere eines selten gespielten Henze-Werks („Das verratene Meer“), sondern auch die Auftritte großer Stars in großen Rollen, die sie alle erstmals in Wien zeigen wollten — der polnische Startenor Piotr Beczala (der seine Linzer Anfänge nie vergessen hat) den Massenet’schen „Werther“, die russische Diva aller Diven, Anna Netrebko, die Puccini’sche „Tosca“, und Günther Groissböck, der hauseigene Weltstar, sollte erstmals in Wien seinen in aller Welt gelobten Ochs von Lerchenau in einer musikalischen „Rosenkavalier“-Neueinstudierung zeigen, die vom Musikdirektor des Hauses, Philippe Jordan, persönlich geleitet würde.

Im Gegensatz zu anderen Operndirektoren (etwa jenem der New Yorker Metropolitan Opera), die gleich ganz zusperrten, wollte Roscic weder den Künstlern noch dem Publikum diese angekündigten Abende „rauben“.

Sie alle wurden, wie vorgesehen, im Haus geprobt und werden in Live-Vorstellungen produziert, die im Livestream in ganz Österreich kostenfrei (und im Ausland via die Musiksender Mezzo und medici) zu sehen sind. Man sollte dieses Angebot nicht als Selbstverständlichkeit nehmen. Es ist eine Großleistung.

Große Arie gelang wunderbar

Massenets „Werther“ ist in Wien in einer Inszenierung von Andrei Serban zu sehen, die vor 15 Jahren mit Elina Garanca Premiere hatte und seither zum „Starvehikel“ für große Interpreten für Werther und Charlotte wurde — was dem Wiener Opernfreund wiederum viele Vergleichsmöglichkeiten gibt. Nun sang Piotr Beczala, der schon von seinem Alter her nicht mehr der Goethe’sche Jüngling ist, die Titelpartie — aber er hat die Stimme dafür, kraftvoll, biegsam, mit prächtigen Höhen (was letztlich das A und O für einen Tenor ist). Die große Arie „Pourquoi me réveiller“ gelang ihm wunderbar — nicht auszudenken, welchen Jubel das gegeben hätte …

Seine Charlotte, mit der „echten“ Französin Gaëlle Arquez besetzt, passte vom Alter her gut zu ihm — auch kein junges Mädchen mehr. Man hat die Rolle schon anmutiger verkörpert gesehen, aber je mehr es ans Leiden und Sterben geht, umso intensiver wurden die unglücklichen Liebenden — und am Ende blieb kein Auge trocken.

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Die wichtigen Nebenrollen waren mit Clemens Unterreiner (in Oberösterreich nicht zuletzt durch seine großen Wagner-Bariton-Rollen in Wels bekannt) und Daniela Fally besetzt. Bei dem Dirigenten Bertrand de Billy war das Changieren zwischen Liebeslyrik und Todestragik in besten Händen.

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Am 10. Jänner wird die Produktion ab 20.15 Uhr auf ORF III ausgestrahlt.

Weitere Übertragungen aus der Staatsoper im Stream play.wiener-staatsoper.at (jeweils 19 Uhr): So., 13. Dezember (live) „Tosca“ (Giacomo Puccini; musikalische Leitung: Bertrand de Billy, Inszenierung: Margarethe Wallmann, u. a. mit Anna Netrebko und Yusif Eyvazov); Mo., 14. Dezember (live, Premiere), „Das verratene Meer“ (Hans Werner Henze; musikalische Leitung: Simone Young, Inszenierung: Jossi Wieler, Sergio Morabito, u. a. mit Vera-Lotte Boecker und Bo Skovhus)

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