„Da ist die Seele ohnehin dabei …“

Die Wiener Albertina präsentiert den Maler Wilhelm Leibl

Wilhelm Leibl, Mädchen mit weissem Kopftuch, um 1876
Wilhelm Leibl, Mädchen mit weissem Kopftuch, um 1876 © bpk/Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Was den Bekanntheitsgrad betrifft, so rangiert Wilhelm Leibl (1844–1900) nicht in der ersten Reihe der spektakulären, international berühmt gewordenen deutschen Maler seiner Zeit. Aber einst haben ihn nicht nur europäische Kollegen wie Gustave Courbet oder Vincent Van Gogh hoch geschätzt. Auch ein Teil seiner Mitwelt hat das Besondere seiner Kunst erkannt, wenn er auch damit in einer Welt des Historismus keinesfalls den damaligen Zeitgeist traf.

Das Kunsthaus Zürich und die Albertina haben sich nun zusammengeschlossen, um eine Ausstellung (bis 10. Mai) zu gestalten, die Leibl mit vielen seiner charakteristischen Werke vorstellt und den Untertitel „Gut sehen ist alles!“ trägt. Gezeigt werden vor allem Porträts — die meisten davon aus dem bäuerlichen Umfeld. Infolgedessen verlieh man ihm das Etikett des „Bauernmalers“, obwohl er von den billigen Effekten dieses Genres weit entfernt war. Leibl, in Köln geboren, an der berühmten Münchner Akademie ausgebildet, war früh erfolgreich, konnte sich aber mit dem Kunstbetrieb nicht befreunden. Das letzte Vierteljahrhundert seines nur kurzen Lebens mied er die großen Städte und verbrachte sein Leben in verschiedenen Dörfern Oberbayerns, wo er seine Modelle fand. Dabei ging es ihm vor allem um Menschen an sich, und in einer Epoche, wo gerade Porträts Repräsentationscharakter hatten, ging Leibl entschlossen einen anderen Weg. Nicht Schönheit, sondern die schlichte Wahrheit war sein Ziel. Er strebte nicht danach, sein „Modell“ aufzuputzen, sondern in seinem innersten Wesen zu erfassen. Und dazu eignen sich Bauern und Bäuerinnen ebenso (und vielleicht besser) als die Herrschaften, die er in München wohl lukrativ hätte malen können. Vom schönen jungen bis zum weisen alten Gesicht blicken Leibls Menschen den Besucher an.

Dass sein ungeschönter Blick in teils düstern Gemälden und Grafik seine Mitwelt auch befremdete, scheint logisch. Dass gerade wir heute diesen ehrlichen, auch gnadenlosen, aber doch nie lieblosen Zugang zu schätzen wissen, versteht sich auch. Denn man begreift, worum es Wilhelm Leibl, dem gebürtigen Rheinländer, der von den Bayern „eingemeindet“ wurde, ging: richtig sehen, „gut“ sehen müsse man, sagte er Und sein Credo formulierte er so: „Man male den Menschen so wie er ist, da ist die Seele ohnehin dabei.“

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