„Das Bundesheer ist ein Teil der Bevölkerung“

Militärkommandant Dieter Muhr zieht nach seinem ersten Jahr in Oberösterreich eine Bilanz

Im Büro von Kommandant Brigadier Dieter Muhr steht vor dem Computer ein Foto mit der Familie, dahinter hängt die Fahne vom Militärkommando Oberösterreich.
Im Büro von Kommandant Brigadier Dieter Muhr steht vor dem Computer ein Foto mit der Familie, dahinter hängt die Fahne vom Militärkommando Oberösterreich. © Engelsberger

VOLKSBLATT: Sie sind jetzt seit einem Jahr Militärkommandant in Oberösterreich — ist alles wie erwartet, oder gab es auch Überraschungen?

BRIGADIER MUHR: Es war wie erwartet und es gab auch keine Überraschungen. Ich habe mich auf diese Aufgabe viele Jahre vorbereitet, mein Bezug zu OÖ war immer da. Ich war im Ministerium zuvor mit Krisenprävention und Krisenmanagement befasst, insofern war da auch das Thema Pandemie mit dabei. Dass eine Pandemie stattfindet und wie diese abläuft, wurde alles im Vorfeld erforscht und besprochen — und hat mich insofern nicht überrascht.

Das Bundesheer wurde im vergangenen Jahr zu einer tragenden Säule beim Corona-Krisenmanagement im Land — welchen Zugang haben Sie zu dieser Aufgabe?

Eigentlich sind es mehrere Säulen: Wir haben am Beginn der Pandemie mitgeholfen, die Lager im Lebensmittelhandel aufzufüllen, um Versorgungsschwierigkeiten vorzubeugen. Dann sind wir an die Grenze berufen worden und haben dort sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz gemacht — das war sozusagen die Abwehr der ersten Welle. Nach dem Lockdown kamen die Lockerungsmaßnahmen und das Bundesheer hat im Contact-Management, also beim Rückverfolgen der Infektionsketten, die Bezirkshauptmannschaften begleitet. Inzwischen sind 80 bis 100 Soldaten beim Krisenmanagement des Landes OÖ im LDZ am Linzer Bahnhof beim Contact-Tracing im Einsatz. Und schließlich sind wir ein Teil der Teststrategie — beginnend mit der Lehrertestung im Linzer Design Center. Da haben wir gemeinsam mit anderen Institutionen das Funktionieren sichergestellt.

Von allen Seiten hört man durchwegs Lob für die Soldaten des Bundesheeres, die bei der Abwicklung in den Corona-Teststraßen durch besondere Höflichkeit und Kompetenz auffallen – worauf führen Sie das zurück und macht Sie das zufrieden?

Ja, es macht mich sehr zufrieden. Das Bundesheer ist Teil der Bevölkerung, die Soldaten machen das gerne, sie sehen auch die Notwendigkeit und die Wichtigkeit dieser Aufgabe. Und ich kenne meine Leute, die sind kompetent und in der Regel höflich. Aber es ist so, dass dadurch Berührungsängste zwischen Bevölkerung und Bundesheer abgebaut wurden, falls welche bestanden haben. Die neuen Bedrohungsszenarien — die keine Grenzen kennen und somit auch OÖ betreffen — heißen Pandemie, Blackout, Cyberangriff mit einem digitalen Virus, aber auch die Auswirkungen des Klimawandels spielen eine Rolle. Jetzt sieht man, dass man Organisationen wie eben das Bundesheer braucht. Wir stellen keine Fragen, wenn etwas zu tun ist, sondern wir machen es. Somit zählen wir mit anderen Institutionen zu den Säulen im Land.

Wie sehr war eigentlich das Bundesheer selbst von Corona-Fällen betroffen?

Wir sind Teil der Gesellschaft und natürlich von Corona-Fällen betroffen. Wir hatten zu Beginn der Krise einen militärischen Skikurs in Ischgl und die sind mit Corona zurückgekommen. Wir haben dann sofort alle Corona-Maßnahmen in unserem Bereich umgesetzt und eine Weiterverbreitung verhindern können. Dann gab es noch einen Cluster in Freistadt, weil sich bei einem Kurs mit Teilnehmern aus ganz Österreich einige bei der Anreise gegenseitig angesteckt hatten. Fazit: Mit rigoroser Einhaltung der Sicherheits- und Schutzbestimmungen ist es uns gelungen, die Infektionszahlen niedrig zu halten.

Kann die Grundausbildung von Wehrdienern in Corona-Zeiten sinnvoll funktionieren?

Ja, weil wir keine Einschränkungen hatten. Unter Einhaltung der Corona-Schutzbestimmungen ist es möglich, zu unterrichten, auszubilden und auch Sport im Freien zu machen. Das funktioniert. Während Corona war auch das Einrückverhalten der Grundwehrdiener sehr erfreulich und der Trend zeigt nach oben.

Der Alarm vor einem Aushungern des Heeres durch viele Offiziere dürfte gefruchtet haben, die Regierung stellt jetzt mehr Geld zur Verfügung. Spüren Sie davon schon etwas in OÖ und wo wird dieses Geld vorrangig eingesetzt werden?

Also, ich spüre es bereits. Das Militärkommando ist für Infrastruktur zuständig und wir haben schon erste Projekte in Angriff genommen. In Linz wird die Stellungsstraße erneuert und auch die Kaserne Ried wird ab Herbst saniert. Am Fliegerhorst Hörsching und in anderen Kasernen werden die Bausubstanz und die Grundausstattungen auf Vordermann gebracht, genauso wird Europas modernster Schießplatz in der Ramsau jetzt mit Unterkünften aufgerüstet. Die zur Verfügung stehenden 30 Millionen Euro klingen vielleicht nicht nach viel, ich bin aber zufrieden und wir können damit den Investitionsstau aufarbeiten. Es ist auch angekündigt, dass zusätzlich in Ausrüstung und Material investiert wird. Das betrifft unter anderem die Modernisierung der Geräte an den Panzerstandorten in Wels (Leopard) und in Ried (Ulan). Was mir ebenfalls wichtig ist, ist die Standortgarantie von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Dafür habe ich mich eingesetzt und auch gekämpft, dass in Oberösterreich alle Standorte bestehen bleiben.

Nach dem Ausrangieren der Saab 105, die ja in Hörsching stationiert waren, stellt sich die Frage, wie geht es am Fliegerhorst Vogler weiter? Haben Sie schon konkrete Pläne, wie die Lücke gefüllt werden soll?

Ein Nachfolgemuster für die Saab 105 wird es nicht geben. Die Lücke ergibt sich in zweierlei Hinsicht: Einmal geht es um die aktive Luftraumüberwachung, wobei diese Aufgabe die Eurofighter übernehmen werden. Die Saab war zweitens ein Ausbildungs- und Trainingsflugzeug, diese Flugstunden werden künftig im Ausland absolviert. Da haben wir aber schon Kooperationen mit Ländern wie Italien, Deutschland und sogar Kanada. Hörsching wird demnach ein zweites Standbein für die Eurofighter werden, die von hier aus operieren können. Der Fliegerhorst bleibt zudem Stützpunkt für die drei Transportflugzeuge Hercules C-130.

Wird es überhaupt noch militärischen Flugverkehr an diesem Standort geben? Finden vielleicht die neuen Hubschrauber hier eine Basis?

Die neu angeschafften Leonardo-Hubschrauber aus Italien werden in Aigen im Ennstal und in Langenlebarn stationiert. Allerdings bleiben die Hubschrauber Agusta Bell 212 weiterhin in Hörsching. Wir haben hier zudem eine hochmoderne Fliegerwerft mit einem Triebwerksprüfstand. Also bleiben wir schon noch ein Fliegerhorst und werden Reparaturen und Wartungsarbeiten übernehmen.

Wie schaut das militärische „Schlachtfeld“ der Zukunft aus — wird es sich ins digitale Netz verlagern und somit virtuell gekämpft?

Das ist jetzt schon so. Das passiert zum Beispiel gerade beim Bergkarabach-Konflikt: Da lief bereits der erste Drohnenkrieg — zur Überwachung und sogar mit bewaffneten Drohnen, die über das Satellitennetz mit Funk und Lichtwellen aus der Fremde gesteuert wurden, oder auch mit „Selbstmorddrohnen“, die Panzer und ganze Stellungen in die Luft sprengten. Das sind einfache Mittel mit einer enormen moralischen Wirkung. Das führte auch schon zu heftigen Debatten, etwa in Deutschland und auch bei uns, wie man sich davor schützen kann. Selbstverständlich stellte sich auch die Frage der Ethik und Zulässigkeit.

Ist die Cyberabwehr eine vorrangige Herausforderung — wie kann man hier bestehen?

Das geht nur, wenn man diese Bedrohung ernst nimmt und sich ständig damit auseinandersetzt. Denn so schnell, wie sich die Technologie entwickelt, genauso schnell entwickeln sich die Möglichkeiten, diese auszunützen. Man darf nicht davon ausgehen, dass das Virenprogramm, das heute noch schützt, auch morgen noch funktioniert. Wer mehr forscht und weiß, der ist den anderen voraus. Die Möglichkeiten sind unendlich, darum ist es ein Wettlauf mit der Zeit.

Mit Militärkommandant BRIGADIER DIETER MUHR sprach Harald Engelsberger

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