Das Ende einer Verweigerung

Klaus Maria Brandauer las in Gmunden Thomas Bernhards „Minetti“

Hübsche Pointe: Klaus Maria Brandauer, selbst ein exzellenter Lear-Schauspieler, frönt Minettis Lear-Begeisterung
Hübsche Pointe: Klaus Maria Brandauer, selbst ein exzellenter Lear-Schauspieler, frönt Minettis Lear-Begeisterung © Rudi Gigler/Salzkammergut Festwochen

Klaus Maria Brandauer liest. Das sagt viel zu wenig. Er spielt, im Sitzen. Am vergangenen Freitagabend im ausverkauften Toscana Congress in Gmunden tat er dies mit einer dramaturgisch ganz geschickt erstellten Fassung von Thomas Bernhards „Minetti“.

Was Brandauer gelegen kommt: Auch im Bühnentext, dem Porträt eines Schauspielers als alter Mann, dem Bernhard den Namen des auf Grund seiner NS-Vergangenheit nicht unumstrittenen Schauspielers Bernhard Minetti (1905-1998) gegeben hat, ist wenig Bewegung.

Minetti arbeitet sich im Monolog in einer Hotelhalle in Oostende, wo er auf den Schauspieldirektor von Flensburg wartet, in der für Bernhard typischen Kompositionstechnik durch Erzählmotive. Nach 30 Jahren werde er wieder den König Lear spielen, Anlass: das 200-Jahr-Jubiläum des Stadttheaters Flensburg. Und nur den Lear, als einzig toleriertem Klassiker, allen anderen verweigerte er sich.

Nur ein kleines Fuchteln

Im Original gibt es Bühnenpersonal für kurze Antworten, Zwischenfragen, natürlich auch fürs Zuhören. Letzteres war am Freitag die Rolle für den vollen Saal im Toscana Congress, den Brandauer über 70 Minuten hinweg in Bann zu schlagen verstand, mit dem Timbre seiner Stimme, der man unendlich konzentriert folgen kann, mit kleinen, aber bedeutungsschweren Gesten.

Da zeigt er mit dem linken Zeigefinger, wenn Minetti erklärt, sein Bruder habe den Weg in Richtung Mathematik eingeschlagen. Aus dem Zeigen wird ein kleines Fuchteln und wir wissen, was der Schauspielkünstler von den Mathematik-Ambitionen des Bruders hält.

Mit ganz gezielt kurz gesetzten Emotionen balanciert Brandauer das Minetti-Schicksal zwischen Komödie und Tragödie aus. So wird es jene hohe, selten gewordene Kunst, die die wirklich guten Bernhard-Interpreten von jenen unterscheidet, die sich heute sonst nur das Gaudium aus den Texten fischen. Der Sitzschauspieler Brandauer gehört zu den ganz exzellenten, obwohl: Dass er tatsächlich eine Bernhard-Figur auf der Bühne gespielt hat, ist nicht erinnerlich.

In den Glanzzeiten der Bühnenrezeption, also während Claus Peymanns Burgtheaterjahren, gehörten die Rollen mit den großen Thomas-Bernhard-Suaden anderen: beispielsweise Traugott Buhre („Der Theatermacher“) oder Wolfgang Gasser („Heldenplatz“). Da hat man etwas übersehen, versäumt. War es gar Verweigerung? Klaus Maria Brandauer holt es nun nach, begleitet von Arno Waschk am Klavier, mit dem Augenzwinkern des Umstands, dass die Minetti-Figur mit ihrer ausschließlichen Lear-Vorliebe von einem in der „Lesung“ Leben eingehaucht bekommt, der selbst zu den herausragenden Lear-Schauspielern gehört. Ein großer Abend der Salzkammergut-Festwochen!

Höflichkeiten

Diesen gebührt übrigens Lob für eine erhöhte Pandemie-Präventionsstufe: Maskenpflicht für alle, auch während der Veranstaltung. Gut plakatiert bedurfte es dennoch einer überaus höflich vorgebrachten Ansage zur Umsetzung. Einige verweigerten selbst danach und erwiesen sich unsolidarisch für die Gemeinschaft eines Publikums.

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