Das Scheitern eines großen Verführers

„Nightmare Alley“ von Guillermo del Toro wird als Oscar-Favorit gehandelt

Bradley Cooper und Rooney Mara auf dem Weg zum ganz großen Aufstieg.
Bradley Cooper und Rooney Mara auf dem Weg zum ganz großen Aufstieg. © Disney

Wenn jeder vom Tellerwäscher zum Millionär werden kann, dann wird es wohl in den USA der 1930er möglich sein, mit Täuschungen das große Geld zu machen.

Dass diese Rechnung — Hochburg des Kapitalismus hin oder her — sowas von nicht aufgehen kann, zeigt die Geschichte des Stanton Carlisle aus dem Roman „Nightmare Alley“ von William Lindsay Gresham. Guillermo del Toro — seit 2018 („The Shape of Water“) zweifacher Oscar-Gewinner — hat aus dem Stoff einen nächsten Anwärter auf ein paar Goldjungen gemacht.

Der Film noir hat es dem mexikanischen Regisseur und Drehbuchautor diesmal angetan. Und er hält sich strikt an all die „Regeln“des Genres. Sein Held ist von seinem ersten Auftreten an, bei dem er eindrucksvoll eine Leiche „verschwinden“ lässt, zum Scheitern verurteilt.

Doch davor kommt der große Aufschwung, der behutsam beginnt. Denn del Toro lässt sich beim Erzählen der Geschichte viel Zeit. Mit 140 Minuten Länge reizt er es aus, vor allem, weil es im Mittelteil doch ermüdende Längen gibt.

Stanton Carlisle kommt wunderbar beiläufig zu einer Truppe Gaukler, die auf einem Rummelplatz das einfache Volk begeistert, in dem sie Strom durch ihre Körper leiten (die entzückende Rooney Mara als Molly), mit hellseherischer Fähigkeit den Menschen Hoffnung geben (wunderschön: Toni Collette als Zeena), unvorstellbar stark sind (Ron Perlman) und skrupellos andere Menschen zu Monstern machen und vorführen (auf dem Weg zum Oscar? Willem Dafoe).

Es wartet das schlimmste Bild seiner selbst

Carlisle wird Mädchen für alles, lernt Tricks kennen, die Liebenswürdigkeit und Vertrautheit der „Freaks“. Doch er will mehr und macht sich mit Molly auf, das Gelernte gewinnbringender einzusetzen. Jahre später macht er gutes Geld damit, die Reichen zu täuschen und zu beeindrucken. Die richtig fette Kohle ist zum Greifen nahe, als sich eine Psychiaterin (Cate Blanchett als fast zu glatte und klassische Femme fatale) an seine Seite stellt, und ihm Geheimnisse ihrer Patienten zukommen lässt.

Mehr sei nicht verraten, außer, dass seine Entscheidungen unseren „Helden“am Ende in den Höllenschlund führen, in dem niemand Geringeres als das schlimmste Bild seiner selbst auf ihn wartet.

Bradley Cooper ist in nahezu jeder Szene zu sehen und überzeugt in den vielen Facetten. Ein starker Auftritt des 47-Jährigen. Optisch passt Blanchett in die künstliche Bilderwelt des Art déco, in die del Toro seine Figuren setzt. Ikonenhaft platzieren sie sich immer wieder für das perfekte Bild, Tamara de Lempickas Gemälde schwirren durch den Kopf.

Man kann „Nightmare Alley“vielleicht als „Zwischenfilm“in del Toros Werk sehen. Es sind hier keine fantastischen Elemente mehr vorhanden, das, was die Zuseher an Magischem sehen, ist ein großer Bluff. Stanton Carlisles Publikum liebt diese vorgetäuschte Welt aber ebenso, lässt sich mit Genuss hinters Licht führen von dem manipulierenden Strahlemann, glaubt ihm Unmögliches, ohne Rücksicht auch auf eigene Verluste. „Nightmare Alley“ist auch ein Film über einen großen Verführer, dessen Scheitern uns eigentlich glücklich stimmen sollte.

Von Mariella Moshammer

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