Den Kopf aus der Schlinge

Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft: STARTS-Preise in Linz verkündet

Beispiel Katalonien, 7,5 Millionen Einwohner. Jährlich werden Lebensmittelreste weggeworfen, die für 500.000 Menschen reichen würden. Idee, eine von vielen: Orangenschalen als Ausgangsmaterial für Jacken.
Beispiel Katalonien, 7,5 Millionen Einwohner. Jährlich werden Lebensmittelreste weggeworfen, die für 500.000 Menschen reichen würden. Idee, eine von vielen: Orangenschalen als Ausgangsmaterial für Jacken. © Fab Lab Barcelona

Innovation, dazu sein süßes Geschwisterchen Nachhaltigkeit: Schlag-Wörter, scheppert´s schon in den Ohren? Aber ja, Kreativität und Erfindungsgabe bitter nötig, wollen wir – gemeint die Menschheit – im 21. Jahrhundert den Kopf noch aus der Schlinge ziehen.

Alarmismus? Nein, wahrnehmbare, auch durch Kunst zum Ausdruck gebrachte Realität. „Wir können so nicht weitermachen, wir zerstören unsere Lebensgrundlagen“, sagt Doris Lang-Mayerhofer, Linzer Kulturstadträtin. Und weiter, „Kunst und Kultur sind Teil der Lösung.“

Anhand „Oceans in Transformation/Territorial Agency“, eines der zwei Siegerprojekte der diesjährigen STARTS-Preise, dotiert mit 20.000 Euro: John Palmesino und Ann-Sofie Rönnskög untersuchen, welche Auswirkungen menschliches Handeln auf die Weltmeere hat. Übersäuerung, Überfischung, Erwärmung und so fort.

Kein anderer Lebensraum ist so dynamisch und sensibel wie das Meer, ein Schlüsselelement des globalen Geosystems. Erstaunlicherweise sind die Weltmeere noch relativ wenig erforscht.

Wir müssen erzählen

„Oceans in Transformations“ verknüpft nun verschiedenste Daten und Narrative – denn was helfen Fakten, wenn sie in kein Verstehen und keine Erzählung gebracht werden? Ausstellungen, Seminare oder Online-Auftritte sollen Bürger, Wissenschaftler und Aktivisten zusammen- und zu Maßnahmen führen. Infos: territorialagency.com/oceans.

Heuer 1564 Einreichungen aus 96 Ländern, der STARTS Prize wird seit sechs Jahren vergeben. Eine Initiative der Europäischen Kommission, die Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft zusammenführen soll. Linz hat sich zu einem bedeutenden Knotenpunkt eines europäischen Netzwerks gemausert, die Ars Electronica wickelt gemeinsam mit einer internationalen Jury die Preisvergaben ab.

„Eine ganz besondere Auszeichnung für die Stadt“, sagt Bürgermeister Klaus Luger, der einen roten Faden in den Einreichungen konstatiert: „Themen, die unsere Zeit bewegen, vor allem die jüngere Generation“.

Den Klimawandel nennt Luger, individuelle Freiheiten und den Umgang mit Staaten, „in denen Menschen für ihre politischen und sexuellen Einstellungen verfolgt werden“. Gerfried Stocker, künstlerischer Leiter der Ars Electronica: „Das Bemühen um eine freie und offene Gesellschaft ist allen Projekten gemeinsam.“

Das zweite Siegerprojekt „Remix el Barrio, Food Waste Biomaterial Makers“ forciert ökologischen Wandel. 260.000 Tonnen Lebensmittel landen in Katalonien alljährlich im Müll, genug Nahrung für 500.000 Menschen.

In Barcelona lebender Designer nahm nun Kontakt auf mit Gleichgesinnten, Labor-„Gurus“ und externen Expertinnen. Neue Produkte, neue Denkweisen und Dienstleistungen: Verpackungen aus Schalen von Kaffeebohnen, Lampen, Stühle und Fliesen aus Olivenkernen. Oder ziemlich hipsterige Mode, Jacken aus Orangenschalen.

Iss mich!

Zehn Projekte erlangen STARTS-Ehren, 18 weitere wurden nominiert. Deren Verkündung ging am Mittwoch im Linzer AEC vonstatten. Kunst stellt Fragen, reizt Grenzen aus. Theresa Schubert (D) befragt radikal die angemaßte Position des Menschen. Die Performance „mEat me“ attackiert, dass Menschen oft wie Tiere behandelt werden.

Sollten wir daher auch – schluck! – Nahrung sein? Kompost, Schlamm und Urin als Energiequelle, als Delikatesse Proteine aus Hühnerfedern, von denen in der EU jährlich 2,3 Millionen Tonnenim Müll landen – einige Projekte sind im September Teil des Festivals Ars Electronica.

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