Der Körper hilft dem Hirn beim Denken

Ohne Körper ist das menschliche Gehirn nicht annähernd so schlau, wie mit seiner Hilfe, erklärte die Linzer Kognitionspsychologin Manuela Macedonia im Gespräch mit der APA. Er unterstützt es beim Denken und Lernen, sodass etwa beim Wiedererkennen eines samt Gesten gelernten Wortes eine Aktivierungswelle durch die Nervenbahnen bis in die Muskeln der Unterarme schwappt, berichtet sie mit Kollegen im Fachmagazin „Scientific Reports“.

„Das bedeutet, dass eine Lernerleichterung eintritt, wenn man Begriffe zusammen mit Bewegungen lernt“, sagte Macedonia. Dann profitiert man nämlich von der ausgezeichneten Merkfähigkeit des Bewegungsapparates.

Normalerweise lernt man etwa eine Einkaufs- oder Vokabelliste ohne Beteiligung des Körpers, indem man sie oftmals hinauf und hinunterliest und versucht, sich die einzelnen Worte einzuprägen, so die Forscherin, die am Institut für Information Engineering der Universität Linz arbeitet: „Verknüpft man die einzelnen Wörter aber mit einer Bewegung, lernt man sie besser und vergisst sie langsamer.“ Dann schalten sich nämlich zwei Gedächtnissysteme für die Aufgabe zusammen: Jenes für das „Wissen“ (das deklarative Gedächtnis) und jenes für das „Können“ (das prozedurale Gedächtnis).

Das deklarative Gedächtnis ist gemeinhin für Wörter, Namen, Listen und Fakten wie historische Daten zuständig. Wie Schüler bei Vokabeltests und Erwachsene beim Einkaufen im Supermarkt oft leidvoll erfahren, braucht es massive Anstrengungen beim Auswendiglernen, und es ist trotzdem nicht sehr verlässlich. Man vergisst schnell und leicht, was man sich rein durch geistige Aktivität zu merken versuchte, erklärte Macedonia.

Wenn das prozedurale Gedächtnis beim Lernen dazugeschaltet wird, etwa indem man eine Bewegung zu den Wörtern und Fakten ausführt, hat man eine Steigerung der Lernleistung und eine Minderung des Vergessens, sagte sie: „Information, die prozedural gelernt wurde, ist weniger anfällig für Verfall“. Deshalb würde man über Jahrzehnte etwa das Radfahren, Schwimmen und Schilaufen nicht verlernen, selbst wenn man diese Aktivitäten in der Zwischenzeit gar nicht ausgeführt hat.

Die Forscher ließen Versuchspersonen sich verschiedenste Worte auf unterschiedliche Arten einprägen: Bloß anhand von Listen, mit vorgeführten Gesten, oder indem die Probanden selbst eine Bewegung dazu ausführten. Später zeigten sie ihnen die Worte noch einmal und ermittelten mittels Beobachtung der Augenbewegungen (Eyetracking), wann sie diese wiedererkannten. Zusätzlich überwachten sie eine mögliche Muskelaktivierung in den Unterarmen mit sogenannten „Myobändern“. Das sind spezielle Armbänder, die elektrische Aktivität von Muskeln (“Elektromyogramme”) aufzeichnen.

Egal ob es sich um konkrete Dinge wie „Maschine, Paper und Denkmal“ handelte, oder abstrakte Bezeichnungen wie „Tendenz, Triumph und Absage“ konnten die Forscher Muskelaktivitäten bei jenen Wörtern messen, die sich die Probanden samt einer selbst ausgeführten Geste eingeprägt haben. Das Erkennen der Worte löste also in diesem Fall eine Muskelaktivität weit weg vom Gehirn aus. „Der Körper hat demnach einen großen Beitrag zum kognitiven Prozess“, schrieben die Forscher in dem Fachartikel.

Macedonia nennt dieses Phänomen „Embodiment“. „Das bedeutet, dass unsere geistigen Fähigkeiten, darunter unser Gedächtnis, mit körperlichen Grundlagen verbunden ist“, sagte sie: „Wenn man beim Wörter-Lernen Gesten ausführt, durch Schnuppern einen Geruch wahrnimmt, oder als Kleinkind mit seinen Beinen und dem Bewegungsapparat gehen lernt, ist die motorische Information Teil des Lernnetzwerkes“. Die Embodiment-These stünde im großen Widerspruch zu der alten Theorie von Rene Descartes und anderen grauen Eminenzen, dass Geist und Körper streng zu trennen sind.

Unsere Gesellschaft geht aber in erster Linie nach dieser nun überholten Weisheit vor, so Macedonia: „Kinder sollen in der Schule ruhig sitzen und Inhalte aufnehmen, die rein geistiger Natur seien“. In Wirklichkeit ist solch eine „rein geistige Natur“ aber ein Hirngespinst. Zu handeln, als ob es sie gäbe, wäre äußerst kontraproduktiv. „Wenn man älter wird, ist dies umso schlimmer, weil das deklarative Gedächtnis schon etwa ab dem 20. Lebensjahr immer schwächer wird“, erklärte die Forscherin.

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