Der Schmerz als gemeinsame Sprache

OÖ Landeskultur GmbH zeigt Arbeiten von Gina Pane und Geta Bratescu im Fransico Carolinum

Gina Pane: Action Psyché, 1974
Gina Pane: Action Psyché, 1974 © The Estate of the Artist. Courtesy of Richard Saltoun Gallery, London

„Es geht hier alles gut ineinander über.“ Die Rede ist vom Francisco Carolinum in Linz, Teil der OÖ Landes-Kultur GmbH. Und es spricht so deren Direktor, Alfred Weidinger.

Und es ist wirklich ein Ausstellungsreigen aus einem Guss, der sich nun in der ehemaligen Landesgalerie in der Museumsstraße besuchen lässt. Am Donnerstagabend wurden zwei Schauen eröffnet, die die bereits bestehenden erweitern, ergänzen und neue Achsen ziehen.

Es sei sprachlich sehr schwer, Schmerz auszudrücken, sagt Michaela Seiser, die die Ausstellung „Gina Pane. Action Psyché (1974)“ kuratiert hat. Die 1939 in Italien geborene Pane setzt bedingungslos ihren Körper ein. Nicht zufällig steht die Tür des Raumes mit 25 Fotografien von Francoise Masson und den dokumentierenden 75 Dias, die an die Wand projiziert werden, offen. Dahinter die Arbeiten des chinesischen Künstlers He Yunchang.

Auch er lässt seinen Körper sprechen, lässt ihn zerschneiden, bluten. Gina Panes Anspruch: den Schmerz für andere zu erleiden, als Stellvertreterin zu agieren. Eine mit Metalldornen bestückte Leiter klettert sie ohne jeglichen Schutz auf und ab, bis sie nicht mehr kann. Ihr Kommentar zum Vietnamkrieg.

Später will Pane eine Körpersprache entwickeln, die nicht intellektuell funktioniert, sondern emotional für die Betrachter spürbar wird, die — so nennt sie sie — die „anästhesierte Gesellschaft“ aufweckt. Dafür ist sie bereit, ihren Körper zu schinden und zu verletzten, als eine der wenigen Frauen auch ihr Gesicht. Die OÖ Landeskultur GmbH zeigt eine komplette Aktion Panes’, für „Action Psyché, 1974“ ritzt die Künstlerin ihre Augenlider und ihren Bauch mit einer Rasierklinge.

Die 1990 verstorbene Pane gilt als eine der radikalsten Performance-Künstlerinnen der 1970er-Jahre und setzte Zeichen, die bis heute nichts von ihrer Radikalität eingebüßt haben.

Das Studio als Raum der (weiblichen) Freiheit

Zurückhaltend und ruhig erscheint da das Werk der rumänischen Künstlerin Geta Bratescu auf den ersten Blick. Collagen, Papierarbeiten, rosa-weiße gefaltete Figuren hat die 1926 Geborene hergestellt. Bis kurz vor ihrem Tod 2018 arbeitete sie in ihrem Atelier.

Die Figuren haben eine architektonische Strenge, erinnern gleichzeitig an Körperliches, anatomische Studien, Beine, Hände, Arme. Schon in jungen Jahre kannte sie den Anblick und den Schmerz kriegsverletzter Soldaten, denen Gliedmaßen amputiert wurden.

Das Œuvre Bratescus ist breit, erstreckt sich auch über Fotografien und Videoarbeiten. Papier und Filmmaterial waren in Rumänien lange rationiert, wurden primär männlichen Künstlern zur Verfügung gestellt. Als Raum der (weiblichen) Freiheit fernab jeder Ideologie diente in dem überwachten Land das eigene Studio.

Titelgebend für die Ausstellung „Geta Bratescu. The Woman and The Bird“ das von ihr häufig verwendete Motiv des Vogels. Blind zeichnet sie, die Grenzen zwischen Frau und Mann verschwimmen, der Vogel taucht als Aggressor auf. „Geta Bratescu wird gerade neu entdeckt“, sagt Weidinger über eine der wichtigsten Künstlerinnen aus Osteuropa: „Sie zeigt uns den Weg, den wir auch weitergehen sollen.“

Von Mariella Moshammer

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