Die andere Alpen-Sinfonie

Zum Nationalfeiertag: Kreneks „Reisebuch“ im Brucknerhaus

Michaela Selinger und Matthäus Schmidlechner nahmen als profunde Liedsänger das Publikum mit auf die musikalische Reise.
Michaela Selinger und Matthäus Schmidlechner nahmen als profunde Liedsänger das Publikum mit auf die musikalische Reise. © Reinhard Winkler

Im schon traditionellen Konzert zum Nationalfeiertag gab es im Linzer Brucknerhaus endlich wieder den bedeutsamen Liederzyklus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ zu hören.

Ernst Krenek komponierte ihn 1929 unmittelbar nach seiner Reise über Mariazell, Hallstatt und Aussee nach Lienz und über den Semmering zurück nach Wien. Der Liederzyklus besteht aus 20 Liedern über selbst verfasste Gedichte, die über Heimat, den Wein sinnieren, auch sorgenvoll mahnen … Bald danach war das Werk als „entartet“ mit Aufführungsverbot belegt, Krenek emigrierte in die USA.

Hochbetagt kam er wiederholt zu Konzerten, Ingo Ingensand arrangierte den Zyklus 2016 für zwei Singstimmen und kleines Orchester, die Originalfassung war ja für ein Männerstimme und Klavier. Erinnert sei an Aufnahmen mit Hermann Prey, Julius Patzak oder Heinz Zednik.

Als Solisten bestachen zwei Oberösterreicher

Die Bühne im Mittleren Saal war gerammelt vollgepackt mit dem gut 20-köpfigen Johann Strauss Ensemble, das mit viel Klangkultur überzeugte. Ingo Ingensand, der den Abend auch als Dirigent betreute, ließ mit viel Gespür für Farben und Stimmungen dieses fast einstündige Werk erblühen.

So manch lyrische Passage als delikates Solo — in Klarinette, Violine, Trompete — ließ gemeinsam mit dem Tutti-Klang der 13 Streicher, sechs Bläser, Harfe und Schlagzeug die Tonsprache Kreneks authentisch erleben.

Auch die Idee, die Gesangstimme auf zwei Künstler aufzuteilen, die dramaturgisch fundiert auch einzelne Passagen gemeinsam unisono deklamierten, fand ich sehr bereichernd. Als Solisten bestachen zwei gebürtige Oberösterreicher. Michaela Selinger, nach Jahren als Mitglied der Wiener Staatsoper längst international in großen Rollen tätig — leider nicht am heimischen Musiktheater — ließ ihren hohen Mezzosopran als profunde Liedsängerin rund und warm ertönen. Dazu verfügt sie über eine breite Palette an Schattierungen.

Ihr zur Seite Matthäus Schmidlechner, seit bald 15 Jahren zur Stütze und zum Publikumsliebling am Musiktheater avanciert, ist mit seinem wandlungsfähigen Tenor geradezu prädestiniert für das „Reisebuch“, das wiederum für seine Laufbahn richtungsweisend war. Dass ihre beiden Stimmen auch gemeinsam, von fabelhafter Intonation abgesehen, ideal „zusammenklangen“, war das Sahnehäubchen oben drauf.

Zu dem fast abendfüllenden Liederzyklus wurden einige der großen Walzer von Johann Strauss musiziert, ebenfalls von Ingensand bearbeitet. „Schatzwalzer“, „Wein, Weib und Gesang“, „Lagunenwalzer“ und „Rosen aus dem Süden“ erfuhren allesamt geniale Ausgaben für Klavier, Harmonium und Streichquartett von Berg, Webern und Schönberg.

Nicht so überzeugend die chorische Streicherfassung, weil gar „zu delikat“, und das sehr in den Hintergrund gedrängte Solo-Klavier. Der dadurch auf sechs Teile gedehnte Liederzyklus verlor an dramaturgischem Bogen.

In jedem Fall eine prächtige Aufführung für ein begeistertes Publikum, die sich einen vollen Saal verdient hätte.

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