Die digitale Welt ist ein Biest

In „Online für Anfänger“ kann herzhaft darüber gelacht werden

Wenn man unser aller Probleme vom Mond aus betrachtet ... lacht es sich auch viel leichter. Das sehen Christine (Corinne Masiero) und Marie (Blanche Gardin) ebenfalls so.
Wenn man unser aller Probleme vom Mond aus betrachtet ... lacht es sich auch viel leichter. Das sehen Christine (Corinne Masiero) und Marie (Blanche Gardin) ebenfalls so. © Filmladen

Was wurde eigentlich aus den engagierten „Gelbwesten“ in Frankreich? Benoît Delépine und Gustave Kervern haben eine Antwort. In „Online für Anfänger“, der neueste Wurf der beiden (Drehbuch und Regie), stehen drei „Ehemalige“ im Mittelpunkt.

Marie, Bertrand und Christine sind Nachbarn, kennen sich aber erst seit der Besetzung eines Kreisverkehrs, damals alle gehüllt in knallgelbe Warnwesten. Wie schön so ein Protest doch zusammenschweißen kann. Doch die drei verbindet mehr als nur diese gelbe Vergangenheit. Marie (Blanche Gardin) wurde verlassen, von Mann und Sohn.

Warum Ersterer ging, lässt sich so nach und nach erahnen, beim Sohn war es der schnöde Mammon. Turnschuhe mit Schuhbandenden aus Gold sollten es schon sein. In Ermangelung von Gold und Co. schmeißt Marie ihr Hab und Gut auf den virtuellen Markt, so bleiben am Ende vier Sessel ohne Tisch übrig. Und sie in einer Bar mit ein paar Whiskeys und einem Sextape danach. Mit dem will die nächtliche Eroberung dann wieder Geld von ihr erpressen, sonst landen die Peinlichkeiten im Netz. Ein grauslicher Kreislauf.

Bertrand (Denis Podalydès) geht es nicht viel besser: Seine Tochter wird fürchterlich gemobbt, ein beschämendes Video von ihr kursiert bereits auf Facebook. Der verwitwete Vater versucht seinem Kind zu helfen, alle Bitten um Löschung bleiben beim Social Media-Riesen ungehört. Er selbst macht immer mehr Schulden und Schuld ist Callcenter-Mitarbeiterin Miranda mit der schönen Stimme aus Mauritius. Bertrand schafft es nicht, nein zu sagen.

„Meine Daten gehören mir!“

Christine (Corinne Masiero) bemüht sich, lässt den roten Teppich aus dem Wagen rollen, macht es den Gästen ihrer VIP-Fahrten richtig schön. Trotzdem kriegt sie immer nur einen Stern bei den Online-Bewertungen.

Das Virtuelle meint es nicht gut mit unseren „Helden“, versetzt ihnen Schlag für Schlag. In Kalifornien und Irland wollen sie sich endlich Gehör verschaffen, ganz nach dem Motto: „Meine Daten gehören mir!“

Aber auch, wenn das hier alles mehr tragisch und weniger lustig klingt: „Online für Anfänger“ ist irre witzig. Eine schräge Pointe jagt die nächste (manche geht auch nicht auf), die Szenen wie aneinandergereihte Sketche.

Ob Marie mit einem Handschlag, der eine volle Kaffeekanne trifft, das ohnehin prekäre Dasein eines Fahrradboten noch einmal so richtig versenkt, oder Christines Versuche eines halbwegs höflichen Verhaltens in ungläubigen Blicken münden, oder Bertrand auf der Suche nach einem Super-Hacker namens „Gott“ im Maul eines Esels landet — es darf, muss und soll über die Leben dieser drei ehemaligen „Gelbwesten“, verloren in der modernen Internet-Blase, herzhaftest gelacht werden. Die digitale Welt kann ein verdammtes Biest sein, aber lustig es trotzdem.

Von Mariella Moshammer

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