Die Hölle des Krieges

Herausragende neunteilige Dokumentation „Vietnam“ im arte-Stream

„Vietnam“ im Stream auf arte.tv/de: Patrouillierende US-Soldaten im Oktober 1966
„Vietnam“ im Stream auf arte.tv/de: Patrouillierende US-Soldaten im Oktober 1966 © : ARTE France/Getty Images/Larry Burrows

„Das beschäftigt mich sehr. Ich sehe kaum Hoffnung, da je wieder rauszukommen. Es lohnt nicht, aber wir kommen da nicht raus. Das ist ein Riesenschlamassel. Ich wollte schon die Jungs hinschicken, aber verdammt, wozu?“

US-Präsident Lyndon B. Johnson in einem internen Tonbandmitschnitt, ehe US-amerikanische Truppen ab März 1965 direkt in den Krieg in Vietnam eingriffen. Im selben Jahr bezifferten Johnsons Berater die Chancen, den Krieg zu gewinnen, mit 1:3. Johnson zog es vor, die Öffentlichkeit über die nahezu aussichtslose Lage nicht zu informieren.

Bereits sein Vorgänger, der 1963 ermordete John F. Kennedy, hatte große Mühe, das Eingreifen 14.000 Kilometer fern der Heimat zu argumentieren. Verdeckte Operationen, „begrenzter Krieg“, Kampf gegen den Kommunismus? Fatale Fehleinschätzungen, das Resultat jahrelange Gemetzel, um „das Gesicht zu wahren“.

Eine ungeheuerliche Tragödie

Die Vietnamesen strebten nach der Vertreibung der französischen Kolonialherren vor allem nach Selbstbestimmung. Der Vietnamkrieg eine ungeheuerliche Tragödie mit mehr als drei Millionen Kriegstoten: zwei Millionen vietnamesische Zivilisten, mehr als eine Million nord- und südvietnamesische Soldaten, 58.000 US-amerikanische Soldaten.

Die fabelhafte, niederschmetternde Dokumentation „Vietnam“ (2017) von Ken Burns und Lynn Novick zeichnet in neun knapp einstündigen Teilen die Katastrophe bis zur Evakuierung Saigons im April 1975 nach. Kämpfer beider Seiten kommen im Rückblick reichlich zu Wort. Persönliche Geschichten, kollektive Verzweiflung, der Wahnsinn des Nicht-mehr-zurück-Könnens.

Die vieldeutige Rolle Ho Chí Minhs, Ikone des nationalistisch-kommunistischen Nordvietnam. Autoritäre, schwache oder korrupte Regierungen im Süden, buddhistische Mönche, die sich im Protest selbst verbrannten. Den Hintergrundsound zu leeren Soldatengesichtern, wütenden Parolen, massenhaft zerfetzten und verkohlten Leibern liefern Dylan, Joplin oder die Stones. Protestsong und Rock’n’Roll, parallel zum Kriegsgrauen gesellschaftlich-kulturelle Umwälzungen in den USA.

Rassenunruhen und Emanzipation der Black Culture, das komplizierte Wendejahr 1968. Richard Nixon, der die Friedensverhandlungen hintertrieb, um die Präsidentenwahl zu gewinnen.

Der Vietnamkrieg ist der erste umfassend medial begleitete Krieg, das Entsetzliche in Bild und Ton festgehalten. „Let it be“, lernt die Menschheit? Im Kriegsgebiet Jemen sind aktuell 400.000 Kinder akut vom Hungertod bedroht. Bis 27. Juli via arte.tv/de

Von Christian Pichler

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