Einem Fahrzeug, welchem gar Commendatore Enzo Ferrari höchstselbst attestierte, der wohl schönste Wagen der Welt zu sein, nähert man sich nicht respektlos oder gar im Vorbeigehen. Ein Artikel über den „E“ will entsprechend vorbereitet sein, da müssen gedankliche und körperliche Einstellung passen, auf Niveau „very british“ getrimmt werden.
Wohlan, der Tee ist gebrüht, das Jaguar-Leibchen übergestreift, einzig das Harris-Tweed-Sakko verblieb im Kasten, los geht´s.
Eine treffliche Kurzfassung des Mythos „E“ liefert etwa die Begründung des MOMA (Museum of Modern Arts, Anm.) in New York City, welches den Wagen in die wichtigste Kunstsammlung der Welt integrierte: „Wegen der Schönheit und plastischen Qualität des E-Type, seiner Funktionalität und seinem bahnbrechenden Einfluss auf das generelle Autodesign, erfüllt er perfekt die Kriterien für ein Designobjekt, das einen Meilenstein darstellt.“
Der spätere Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart charakterisierte den roten Roadster mit Speichenrädern, der als Vorführmodell in seines Vaters Autohaus gefunden hatte, mit den ebenfalls wenig bescheidenen Worten: „Schon beim ersten Anblick wusste ich: Dies ist das aufregendste Auto, das die britische Automobilindustrie jemals gebaut hat!“ Kurz gesagt: Der E-Type war eine Versuchung, welcher zahlreiche Berühmtheiten gerne erlagen, die Schauspieler Brigitte Bardot, Britt Ekland, Steve McQueen, Tony Curtis oder Peter Sellers ebenso wie die Rasensportler George Best, Günther Netzer, Franz Beckenbauer oder die Musiker Elton John, George Harrison sowie Frank Sinatra. Noch 2018, also 57 Jahre nach der Präsentation, ließen es sich Herzogin Meghan und Prinz Harry nicht nehmen, in einem elektrischen „E“ ins Eheleben zu starten.
Angepriesen wurde der schnittige Engländer anno 1961 mit der sagenhaften Straßenlage und dem sagenhaft günstigen Preis als der fortschrittlichste Sportwagen der Welt. Zum Vergleich: Ein Maserati 3500 GT kostete rund das Doppelte, nämlich 50.000 DM, ein Mercedes 300 SL mehr als 33.000 Mark, der Jaguar als Fixed Head Coupe nur 26 Tausender, der Open Two Seater war sogar noch einen Tausender günstiger. Und schneller, die Höchstgeschwindigkeit des „E“ lag bei gut 240 Stundenkilometern. Wie gesagt, anno 1961.
Freilich war nicht alles eitel Wonne, was zwischen den verchromten Stoßfängern des Traumwagens geboten wurde. Miserable Sitze fast ohne Seitenhalt und gänzlich ohne Längsverstellung, ein Getriebe, das in Sachen Ölverbrauch an Landmaschinen erinnerte, klappernde Kupplungen, undichte Auspuffanlagen, Scheibenrahmen und Verdecke, fehlende Ablagefächer und Türfangbänder, der „E“ war sehr nahe an einem Rennwagen. Als solcher feierte der Blitz aus Coventry auch jahrelang Erfolge in Serie, einzig der ersehnte Gesamtsieg in Le Mans wollte nicht gelingen.
Hatten Jaguar-Fans womöglich vermeint, zu ihrer Lieblingskatze sei schon alles Erwähnswerte erwähnt und alles Schreibenswerte geschrieben worden, wurden diese mittlerweile allesamt eines besseren belehrt. Philip Porter, selbst Jaguar-Enthusiast, hat mit kundiger Unterstützung von Halwart Schrader einen Bildband im Motorbuch-Verlag Stuttgart aufgelegt, welcher dem E-Type standesgemäße Huldigung zuteil werden lässt.
In einer „Bauzeit“ von immerhin dreißig Monaten entstand ein Nachschlagewerk, das die Historie des „E“ nachzeichnet. Von den ersten Entwürfen, über endlose Testfahrten bis hin zur Präsentation auf dem Genfer Automobilsalon 1961, über Rennsport- und Verkaufserfolge, die technischen Entwicklungen, von den Scheibenbremsen bis zum Motorenangebot, wurden Fakten, Statements und Fotos in akribischer Recherchearbeit zusammengetragen und aufbereitet.
Entstanden ist dergestalt ein Werk, das in keinem Wohnzimmer eines gestandenen Katzenliebhabers fehlen sollte. Bietet es doch dem Verfasser dieser Zeilen und all den übrigen zumindest etwas Trost, denen der Erwerb eines „E“ aus verschiedensten Gründen
bislang versagt bleiben musste.