Die Lernfähigkeit der Menschen

Silke Dörner übernimmt die künstlerische Leitung.
Silke Dörner © Reinhard Winkler

1 Jahr Corona, das VOLKSBLATT schickte einen Fragekatalog an namhafte Kunst- und Kulturmenschen.

Silke Dörner, 1967 in Deutschland geboren, ist Autorin zahlreicher Libretti und Stücke für das Theater und sie übernimmt ab Herbst 2022 die künstlerische Leitung des Linzer Theater Phönix.

VOLKSBLATT: Junge Menschen, die älteren Nachbarn das Essen bringen: Was ist geblieben von anfänglichen Hoffnungen, die Pandemie könnte etwas verändern? Dass sich alte, schlechte Gewohnheiten wie Dauerstress, Gehässigkeit oder der schlechte Umgang mit der Umwelt in Richtung freundlichere Gesellschaft bewegen?

SILKE DÖRNER: Als Optimist hoffe ich das natürlich immer noch. Aber vielleicht ist Georg Büchners Einschätzung realistischer, der grundsätzlich an der Lernfähigkeit der Menschen zweifelte.

Hat Corona Sie verändert? Wenn ja, zum Besseren?

Ohne Frage, ja! Diese durch die Corona-Krise ausgelöste plötzliche Entschleunigung hat mehr Raum gelassen für Reflexion, Hinterfragen und Bewusstmachung. Das gilt es für mich beizubehalten.

Womöglich war die „Normalität“ vor Corona ein gewichtiger Auslöser FÜR Corona. Was wäre zu ändern an der Normalität?

Die Pandemie hat uns seit einem Jahr fest im Griff und beherrscht unseren Alltag. Dabei sind alle anderen Themen in den Hintergrund gerückt, die mehr als unsere volle Aufmerksamkeit brauchen. Wir dürfen nicht wegschauen angesichts der Situation von Flüchtlingen, sozialer Ungerechtigkeit oder des Raubbaus an unserer Erde. Und wir dürfen vor allem eines nicht: diese Dinge als „normal” ansehen. Das ist für mich der erste Schritt.

Hat Corona den Begriff Kunst für Sie verändert? Heißt Kunst nach Corona etwas anderes als vorher?

Weniger den Begriff Kunst als vielmehr die Bedeutung von Kunst und Kultur für eine Gesellschaft. Die Pandemie hat vielen Menschen schmerzlich vor Augen geführt, dass ein Leben ohne Kunst und Kultur nicht lebenswert ist.

Kunst und Kultur sind Lebensmittel, nicht Luxusgut. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis nachhaltig weiterwirkt und Künstler die Wertschätzung erhalten, die ihnen zusteht.

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