Die Liebe zur Natur und zu den Menschen

Sarah Kuratles märchenhafter erster Roman „Greta und Jannis“

Die gebürtige Bad Ischlerin Sarah Kuratle
Die gebürtige Bad Ischlerin Sarah Kuratle © privat

Ein paar Zeilen dauert es, bis man drin ist, in dem ganz besonderen Rhythmus, den die gebürtige Bad Ischlerin Sarah Kuratle (32) in ihrem kürzlich erschienenen Roman vorgibt. Die Augen hüpfen anfangs ein paar Mal zurück an den Beginn eines Satzes.

Hat man dann aber hineingefunden in diesen Text mit seiner ganz besonderen Melodie, dann ist es faszinierend, damit in eine ganz eigene märchenhafte Welt einer jungen Autorin einzutauchen, die mit „Greta und Jannis. Vor acht oder in einhundert Jahren“ ihr Debüt in der Langform abliefert und die schönsten Bilder entstehen lässt.

Hänsel und Gretel-Roman über Nachbarskinder

Greta und Jannis wissen schon als Kinder, dass sie zueinander gehören. Ihre Freundschaft wird ganz selbstverständlich zu Verliebtheit und Liebe, die sich jedoch irgendwann als verboten entpuppt. Jannis geht in die Stadt, um zu studieren, Greta zieht ins allerletzte Dorf in die Berge, wo ihre Großtante Severina ausgestoßene Kinder bei sich am Hof aufnimmt. Denn dort oben haben nur die Erstgeborenen Rechte, nur sie dürfen glücklich sein.

Der Roman ist in zweifacher Hinsicht eine Liebesgeschichte geworden. Er erzählt von der Liebe zweier junger Menschen zueinander, die nicht sein darf, und von der Liebe zur Natur, die es zu schützen gilt. Auf eine genaue Verortung und eine Festlegung der Zeit verzichtet Kuratle, hat sich dafür auch intensiv mit dem Märchen „Hänsel und Gretel“ auseinandergesetzt. Ihre Themen sind aktuell, wenn sie von den fehlenden, weil in der Gegend ausgestorbenen Steinböcken, die man wieder ansiedeln möchte, schreibt, und davon, welchen Einfluss die Außenwelt auf Beziehungen der Menschen untereinander hat.

Getragen wird alles von einem sehr, sehr großen Respekt vor der Natur, die das Verbindende und die Grundlage für alles ist und für die die junge Schriftstellerin in ihrer grenzenlosen Wertschätzung Worte findet, die die einfachsten Dinge lebendig werden lassen, ihnen damit eine Persönlichkeit gibt. So sensibel wie die Natur sind auch die Figuren gezeichnet.

Alles fließt ineinander. Sogar Greta und Jannis sind miteinander verwachsen. Kuratles Beschreibungen sind so fein beobachtet und in wunderschönen Formeln detailliert beschrieben, dass man es beim Lesen mit allen Sinnen wahrzunehmen glaubt. Dabei arbeitet sie stark mit Verdichtung, entwickelt eine ganz eigene Atmosphäre, spielt mit der Sprache. Es entsteht ein ganz eigenes Textbild, das mit Punkt und Beistrich auskommt, fast als würde es die umsichtige Zurückhaltung nicht erlauben, da und dort ein Ausrufezeichen zu setzen. An anderer Stelle sind die Satzkonstruktionen so, als fliegen die Gedanken nur so dahin. Man spürt, dass die Autorin auch aus der Lyrik kommt.

„Wenn es das Buch schafft, dass die Leser ein Stück weit behutsamer zurückbleiben — das glaube ich eben, dass das Literatur kann —, und behutsamer mit der Natur und ihren Mitmenschen umgehen, dann habe ich viel erreicht“, hat Kuratle im VOLKSBLATT-Gespräch gesagt. Was sie in „Greta und Jannis“ zu Papier gebracht hat, hinterlässt jedenfalls einen bleibenden Eindruck. Freudige Erwartung des nächsten Romanes, der schon im Entstehen ist.

Von Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren