Die Madonna weint Blut

arte-Stream: Packende italienische Drama-Serie „Ein Wunder“

Regierungschef Fabrizio Pietromarchi (Guido Caprino) und die Madonna, die Blut weint
Regierungschef Fabrizio Pietromarchi (Guido Caprino) und die Madonna, die Blut weint © ARTE/Montesi Antonello

Ein Kellergewölbe geflutet mit Blut, als Quelle stellt sich die Statue einer Madonna heraus. Gerade einmal zwei Kilogramm schwer, weint sie neun Liter Blut pro Stunde.

Keine versteckte Pumpe, kein chemischer Prozess, ein Wunder! Ein Wunder? Regierungschef Fabrizio Pietromarchi (Guido Caprino), bekennender Ungläubiger, lässt die Marienstatue erst einmal in ein aufgelassenes Schwimmbad verfrachten.

Der Pro-Europäer Pietromarchi fürchtet Aufruhr, ein Referendum über den EU-Austritt Italiens steht unmittelbar bevor.

Serie setzt Maßstab in europäischer TV-Kultur

Niccolò Ammanitis 8-teilige Serie „Ein Wunder“ von 2018 setzte einen Maßstab in europäischer TV-Kultur. Alleine optisch ist das filmische Epos des Schriftstellers Ammaniti ein Hochgenuss.

Die Hauptstadt Rom keine touristische Kulisse, sondern in bisweilen dreckigen Farben gehaltener Hintergrund. Fantastische Bildkompositionen, die ein David Lynch arrangiert haben könnte. Surreale Einschübe, Tagtraum und erotische Vision von Pietromarchis Ehefrau Sole (Elena Lietti) ein früher Höhepunkt.

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Die weinende Madonna ist das „ganz Andere“, das die Lebensläufe der Figuren ins Schlingern bringt. Wie Stanley Kubricks schwarzer Monolith in „2001“ oder in jüngerer Kinogeschichte die wolkenförmigen Riesenobjekte in Denis Villeneuves „Arrival“.

Allerdings kommen in „Ein Wunder“ (Il miracolo) früh Zweifel auf, ob das vermutet Überirdische, das Unerklärliche zur Läuterung der Menschen führt. Zu verbohrt, zu kaputt der irrlichternde Padre Marcello (eine Wucht: Tommaso Ragno), der vom lüsternen Saulus in einen fanatischen Paulus kippt. Zu vernarrt in ihre Ideen eine immens starke Alba Rohrwacher als Biologin, die ihrer im Wachkoma liegenden Mutter eine Blutprobe der Madonna einflößt.

Wunderbarer Soundtrack (Tindersticks! Umberto Tozzi!), packend erzählte Schicksale. Das Motiv, der „Sinn“ der Madonna bleiben ungeklärt. Ein Hinweis könnte in der Geschichte von Nicolino liegen, einem Knaben mit reinem Herzen (oder auch das ein Selbstbetrug?), betörend gespielt von Carmelo Macrì. Nicolino soll am Tod der Tochter eines Mafiabosses schuldig sein und in der Folge von der Hand des eigenen Vaters sterben.

Ammanitis wütende Satire auf Italien

So verdreht sind die Menschen, so verdreht ist vielleicht auch Italien.

Und man wird am Ende den Verdacht nicht los, dass Ammaniti „Ein Wunder“ als wütende Satire auf seine Heimat angelegt hat.

Bis 26. Februar auf arte.tv/de

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