Die Maschinen machen die Kunst

Francisco Carolinum: Ausstellung „Herbert W. Franke. Visionär“ zum 95er des Multikünstlers

Belebte und unbelebte Welt fußen in Frankes Bildwelten auf Mathematik. Bloß „schön“? Oder auch Abbild der Realität?
Belebte und unbelebte Welt fußen in Frankes Bildwelten auf Mathematik. Bloß „schön“? Oder auch Abbild der Realität? © OÖ Landes-Kultur GmbH

Mathematik ist geil. Die Welt ist Mathematik. Die Kunst ist Mathematik. Ist das so?

Menschen empfinden Musik als schön, grässlich etc. Neben der sinnlichen Ebene die formelhafte: Zur (europäischen) Musik gehört eine enorm abstrakte Sprache, „Noten“ genannt.

Oder: Computer wurden bereits mit Werken von Johann Sebastian Bach gefüttert und erzeugten daraufhin Kompositionen, von denen auch Bach-Experten nicht sagen können: Vom Meister oder von Maschinen komponiert?

Maschinen haben Herbert W. Franke seit jeher fasziniert. In seinem forschenden und künstlerischen Schaffen waren Maschinen stets eigenständige Partner, nicht bloß technische Hilfsmittel. Die Maschine als Kunst-Erzeuger, damit stieß Franke Jahrzehnte lang auf Widerstand aus der etablierten Szene.

Die Maschine eine Beleidigung für das originäre Genie! Franke arbeitete in den 1950ern bei der Firma Siemens, hatte so Zugang zu moderner technischer Ausrüstung. Bilder entstanden, basierend auf Mathematik. Noch eine Ungeheuerlichkeit: Franke ließ in seinen Arbeiten auch dem Faktor Zufall Raum. Die Welt entscheidend vom Zufall geprägt, wie das auch die Quantenphysik mutmaßt (und Einstein heftig bestritt: „Gott würfelt nicht“).

Im Dachstein

„Herbert W. Franke. Visionär“ heißt die Ausstellung, mit dem das Linzer Museum Francisco Carolinum einen weiteren wichtigen Baustein in seiner Hinwendung zur digitalen Kunst setzt. Das Wort „Visionär“ diesfalls keine klischeehafte Hülle, sondern vortrefflich. Der gebürtige Wiener Franke, geboren am 14. Mai 1927, ein Erforscher unbekannter Welten in mehrfacher Hinsicht. Autor von Science-Fiction-Romanen, die in Suhrkamps „Phantastischer Bibliothek“ erschienen. Ein Höhlenforscher, der in Oberösterreich verborgene Winkel des Dachsteins aufsuchte und vorgefundene Strukturen auch noch auf mathematische Gesetzmäßigkeiten hin prüfte.

Franke ein Liebhaber und Tüftler, ein Stiller, dem das Eigenmarketing als Künstler per se fremd war. Ein Computerkünstler der ersten Stunde, der bereits 1952 mit generativer Fotografie experimentierte, ab 1954 zuerst einen analogen Computer und in den 1960ern Großrechner für seine „algorithmische“ Kunst nach mathematischen Prinzipien verwendete. Und der auch 1979 die Ars Electronica in Linz mitbegründete.

In der Realität

Susanne Päch, Frankes Ehefrau, und Genoveva Rückert kuratieren eine nicht sofort und ganz einfach zu erfassende Ausstellung. Aber Mitdenken hält frisch, führt zu Erkenntnissen. Auf Wandtafeln werden ausreichend einige Grundideen von Frankes Schaffen erläutert. Bloß, was sind etwa Fibonacci-Zahlen? Klingt zunächst cool. Konkret lässt sich mit dieser mathematischen Reihe (0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13 – jeweils die beiden Vorgänger addiert) das Wachstum von Kakteen beschreiben. Damit beschäftigte sich Franke einige Zeit und verarbeitete seine Einsichten zu kunstvollen Bildern.

Vieles, was heute alltags- und marktüblich ist, nahm Franke vorweg. Das Metaverse – Gebrauchsname für die „andere“, die virtuelle Realität – hatte Franke lange vor Facebook-Chef Mark Zuckerberg ersonnen. Alle Bilder sind von Maschinen erzeugt, Besucher können sich an deren Ästhetik erfreuen. Tiefer in Frankes Gedankenwelt eintauchen? Das bräuchte Zeit, dafür gibt diese Ausstellung einen starken Anreiz.

Eröffnung am Dienstag, 19 Uhr. Bis 12. Juni. Dienstag (29.3., 18) Gespräch zur Ausstellung, im Live-Stream

Von Christian Pichler

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