Diego Maradona ist tot

Diego Armando Maradona Franco. * 1960 † 2020 © AFP/Solaro

Die Fußball-Welt trauert um Diego Armando Maradona. Der argentinische Nationalheld, dieser geniale Künstler am Ball, dessen Leben so viele tragische Wendungen nahm, ist am Mittwoch im Alter von nur 60 Jahren gestorben. Weltmeister, Serienmeister, UEFA-Cup-Sieger, Dopingsünder, gescheiterter TV-Moderator und Kokain-Abhängiger in Personalunion – es war eigentlich zu viel für ein einziges Leben.

Erst kürzlich hatte Maradona einen Krankenhaus-Aufenthalt überstanden. Er war am 11. November, gut eine Woche nach der Operation wegen einer Hirnblutung, aus einem Krankenhaus in einem Vorort von Buenos Aires entlassen worden. Beim einstigen Superstar war zunächst von emotionalem Stress, Blutarmut und Dehydrierung die Rede.

Bei den Tests wurde dann eine Blutung zwischen harter Hirnhaut und Gehirn festgestellt. Maradona habe den möglicherweise schwierigsten Moment seines Lebens überstanden, sagte sein Anwalt Matias Morla damals noch. Maradona sei gewillt, sich wegen persönlicher Probleme zu rehabilitieren: „Es wird Maradona noch eine Weile geben.“ Ein paar Tage später starb Maradona in seinem Haus in Tigre nördlich von Buenos Aires an einem Herzinfarkt. Herbeigerufene Sanitäter konnten ihn nicht wiederbeleben.

Es gibt unzählige Anekdoten über Maradona: Wie er seine Gegenspieler reihenweise narrte, wie er sogar den Tod gerade noch umdribbelte, wie er mit einem Luftgewehr auf Journalisten schoss oder eine Kirche nach ihm benannt wurde. Als Fußballer war Maradona so unbeschreiblich gut wie vielleicht niemand davor oder danach. Als Mensch war er viele Jahre später einmal so dick, dass er kaum sprechen konnte. Als Trainer ist er nicht nur einmal gescheitert. Diego Armando Maradona: Dieser Name steht für ein Leben zwischen den Extremen, zwischen Himmel und Hölle, zwischen Genie und Wahnsinn.

Nachdem er bei der WM 1986 im Viertelfinale gegen England ein Tor mit der Hand erzielte, das trotzdem zählte, und danach meinte, es sei die „Hand Gottes“ gewesen, kannte ihn die ganze Welt. Es wird eine der geschichtsträchtigsten Szenen im Weltfußball bleiben.

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Seine eigene fußballerische Reise beginnt der Legende nach in der Siedlung Villa Fiorito am Rande von Buenos Aires, wo „El Pibe de Oro“ (der Goldjunge) früh vom Erstligisten Argentinos Juniors entdeckt wird. Als zwölf Jahre alter Ballbub soll er den Zuschauern mit seinen Kabinettstückchen während der Halbzeitpausen schon mehr Unterhaltung als die erste Mannschaft geboten haben. Im Alter von 15 Jahren gibt er sein Debüt in der ersten Liga, mit 16 ist er Nationalspieler, mit 17 Torschützenkönig und als 19-Jähriger erstmals Südamerikas Fußballer des Jahres.

Ob er der neue Pele ist, wollen argentinische Reporter damals von ihm wissen. „Ich bin Maradona, kein neuer Irgendwas. Ich will einfach nur Maradona sein“, antwortet der junge „Diegito“. Und das ist ihm ohne Zweifel gelungen: Denn sein Lebensweg ist unvergleichlich. 1982 wechselt Maradona für eine Rekordablösesumme zum FC Barcelona, zum Halbgott steigt er aber erst zwei Jahre später auf. Für eine weitere Rekordablöse geht es weiter zum SSC Napoli, also nicht zu den großen Clubs im Norden Italiens, sondern zum verspotteten Fast-Absteiger in den verachteten Süden.

Hier beginnt die Verwandlung. Maradona steigt höher und höher, 1987 und 1990 führt er Neapel zu den bis heute einzigen Meisterschaften der Vereinsgeschichte. Schon bei seiner Begrüßung hatten mehr als 70.000 Fans ihn im Stadio San Paolo empfangen, später lungern die Menschen immer wieder vor seiner Haustür herum. Einmal soll eine Krankenschwester eine Blutprobe von ihm gestohlen und in die Kirche gebracht haben. Die Neapolitaner verehren ihn wie einen Heiligen. Maradona kommt mit dem Hype zurecht, so lange er Fußball spielt, auf dem Rasen wird er besser und besser.

„Er hat aus einer Mannschaft wie Neapel eine Spitzenmannschaft gemacht“, erinnerte sich Herbert Prohaska, Österreichs Jahrhundertfußballer am Mittwoch nach dem Bekanntwerden der Todesnachricht im ORF. Maradona kickte ein paar Jahre nach ihm in Italien. „Zu meiner Zeit hat Neapel gegen den Abstieg gespielt, mit Maradona wurde Neapel dann zweimal Meister. Und Argentinien hat er zum Weltmeister gemacht, ein unglaublicher Spieler. Du hast ihn als Gegenspieler nur bewundert. Er war ein Spieler, der alles konnte, ein Genie.“

Gegen Prohaska und das ÖFB-Team spielten Maradona und Argentinien etwa 1980 im Wiener Prater-Oval. Maradona, damals „erst“ ein Jungstar, traf beim 5:1, dem Abschiedsspiel von ÖFB-Kapitän Robert Sara, zum ersten Mal mehrfach für die „Albiceleste“. Spätestens nach seinen drei Toren wusste die österreichische Öffentlichkeit von der Genialität des Ballkünstlers zu berichten.

Mit Argentinien wird Maradona 1986 Weltmeister, 1989 gewinnt er mit Neapel auch noch den UEFA-Cup. Abseits des Platzes wird er genauso unkontrollierbar wie für seine Gegenspieler. Er verfällt dem Kokain (“Eine Line – und ich fühlte mich wie Superman”), zieht zum Teil von Sonntagabend bis Mittwoch um die Häuser, um danach bis zum nächsten Spiel am Wochenende wieder alles rauszuschwitzen. Seine Nationalmannschaftskarriere endet bei der WM 1994 wegen einer zweiten, monatelangen Doping-Sperre durch die FIFA.

Das extreme Pendeln zwischen himmelhoch jauchzendem Übermut und verzweifelter Niedergeschlagenheit ist auch vielen seiner Landsleute nicht fremd. Der Rummel um Maradona nahm bisweilen groteske Ausmaße an. So gab es ein Maradona-Museum, ein Maradona-Musical und sogar eine Maradona-Kirche, in der das „Diego Unser“ gebetet wurde. Nach seiner Fußballkarriere suchte Maradona auch immer wieder die Nähe zu den linken Caudillos Lateinamerikas. Gerne zeigte er sich an der Seite von Fidel Castro, Hugo Chavez oder Nicolas Maduro.

„Diego hatte ein Leben wie ein Traum. Und wie ein Alptraum“, sagte sein langjähriger Fitnesstrainer Fernando Signorini. Unvergessen sind die „Hand Gottes“, mit der er 1986 gegen England getroffen hatte oder sein Jahrhunderttor nach einem unfassbaren Dribbling im selben Spiel. Unvergessen sind aber auch die Jahre später erschienenen Bilder vom kugelrunden Maradona mit schrillblonden Haaren. Er scheiterte als TV-Moderator und argentinischer Nationalcoach, verbrachte Wochen in Krankenhäusern, ließ sich den Magen verkleinern und schrammte mehrmals knapp am Tod vorbei.

„Ich glaube, er hält sich für einen Gott, und das könnte einer der Gründe für seine Probleme sein“, sagte vor vielen Jahren einmal der Leiter der Klinik Güemes in Buenos Aires, Hector Pezzella, wo Maradona 2007 in Behandlung war. Der Ausnahme-Spieler hat sich nie geschont, weder auf noch neben dem Platz. „Er lebt jeden Moment, als wäre es sein letzter“, sagte sein Fitnesstrainer Signorini einmal. „Wenn Diego einmal nicht mehr da ist, wird er noch mehr geliebt werden.“ Brasiliens Fußball-Idol Pele (80) meinte nach der Kunde am Mittwoch: „Eine traurige Nachricht, so einen Freund zu verlieren. Möge Gott seiner Familie genug Kraft geben. Eines Tages werden wir sicher im Himmel gemeinsam kicken.“

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