„Dieser Mann reitet dem Sonnenuntergang entgegen“

Heino Ferch über die neueste Folge von „Spuren des Bösen“, Corona und seine Liebe zu Österreich

Fühlt sich nicht nur als Prof. Brock, sondern auch privat sehr wohl in Wien: Heino Ferch.
Fühlt sich nicht nur als Prof. Brock, sondern auch privat sehr wohl in Wien: Heino Ferch. © Fotos ORF/Aichholzer Film/Petro Domenigg

Er ist einer gefragtesten Schauspieler im deutschen Sprachraum und demnächst wieder als wortkarger Verhörspezialist und Psychiater in „Spuren des Bösen“ (Folge „Schuld“, 31. Jänner, 20.15 Uhr, ORF 2) zu sehen.

Heino Ferch (57) über den Lockdown, wie er mit Wiener Schmäh umgeht und warum Folge 9 das endgültige Finale für die Reihe rund um Prof. Brock bedeuten könnte.

VOLKSBLATT: Wie hat die Corona-Pandemie Ihr Leben beeinflusst und wie geht es Ihnen damit?

HEINO FERCH: Es ist auch eine Chance, die diese Situation für mich geboten hat, nämlich sehr viel Familienzeit über eine lange Strecke. Die Sensibilisierung auf ein Leben im Moment, die Reduzierung auf das Wesentliche, das war schon sehr besonders und sehr herausfordernd einerseits, hatte aber andererseits auch eine ganz große Qualität. Ich lebe auf dem Land und das ist gerade in so einer Zeit ein großes Geschenk. Ich hab’ bis Anfang März 2020 gedreht, dann kam der Lockdown. Mitte August ist dann alles, was nicht stattgefunden hat in den Monaten davor, Stück für Stück los- oder weitergegangen. Jetzt wird wieder überall viel gedreht, aber eben mit strengen Corona-Maßnahmen. Ich habe sehr viel zu tun, bin auch gerade mitten in Dreharbeiten für einen Film für die ARD. Das ist eine Art „Dramödie“, eine Geschichte um einen Mann, der mit drei Kindern aus drei Ehen, mit denen er normalerweise nicht zusammenlebt, plötzlich umgehen muss. Eine Herausforderung. Der Film heißt „Nie zu spät“ und soll im nächsten Herbst oder Winter zu sehen sein.

Sie sind regelmäßig für Dreharbeiten zu „Spuren des Bösen“ in Wien. Was gefällt Ihnen an der Stadt und Ihren Bewohnern?

Ich liebe Österreich sehr. Es ist ein großes Geschenk, über die letzten neun, zehn Jahre hinweg regelmäßig in Wien zu sein und zu arbeiten. Mir macht es Riesenspaß, in dieser durch Kultur, Theater, Oper und lässiger Lebenslust geprägten Stadt zu sein. Ich finde es großartig, wenn man den Schmäh zu nehmen weiß. Wenn man nichts persönlich nimmt — das darf man auf keinen Fall — , dann hat das eine große Lebensqualität. Und die Arbeit mit dem Regisseur Andreas Prochaska, dem Drehbuchautor Martin Ambrosch und mit dem ganzen Team — immer wieder eine Freude.

Apropos Wiener Schmäh, den hat ja Ihre Haushälterin, die das Herz auf der Zunge trägt, auf jeden Fall. Und auch der Chauffeur ist ein Original. Rücken die beiden Figuren noch mehr in den Vordergrund?

In „Schuld“ auf jeden Fall. Da retten sie mir praktisch das Leben. Wir befinden uns ja quasi in einer Trilogie: Im 7. Fall läuft der von Tobias Moretti gespielte Polizist Amok, im achten Fall sitze ich nach einem Schuss in den Rücken im Rollstuhl, und die aktuelle Folge erzählt das zu Ende mit einem harten Showdown.

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Die Haushälterin und der Kellner, jetzt Chauffeur, sind eng dran an diesem eigentlich lebensunfähigen Menschen Richard Brock, der ein Zyniker und ein depressiver Charakter ist, der zurückgezogen lebt und geniehafte Züge hat, was die Psychoanalyse angeht. Und er ist jemand, der dieses Personal um sich braucht. Martin Ambrosch hat in den Drehbüchern mit diesen Rollen kleine Perlen geschaffen, die fast philosophischen Charakter haben, die so direkt und blank aus dem Leben mit wenigen Sätzen Sachen auf den Punkt bringen, die treffend sind und zum Schmunzeln.

Andererseits zeigt Prof. Brock den Wienern ja wie Granteln geht, eine Eigenschaft, die eigentlich den Österreichern zugeschrieben wird. Haben Sie das auch von uns gelernt?

(Lacht) Ja, das habe ich da gelernt. Dieser Deutsche, der in Wien da als Universitätsprofessor und Verhörspezialist tätig ist, so vor sich hin eremitiert, der lebt in Wien, weil das so ist wie er auch: ein bissl missmutig und knapp, vielleicht auch ein bissl barsch und irgendwie fühlt er sich da wohl.

Hat Sie Ihre Rolle als Verhörspezialist und Psychiater auch dazu angeregt, sich intensiver mit psychologischer Spurensuche auseinanderzusetzen?

Das sind ziemlich komplexe Geschichten und wir haben es immer mit ganz eigenen Kapiteln der menschlichen Psyche zu tun. Wenn man sich mit so einer Figur wie Brock über Jahre hinweg beschäftigt, ist das immer Thema, da kommt man gar nicht umhin und ich finde es rasend spannend. Es gab auch immer wieder Fachberatung von Professoren und Dozenten in Wien. Ich hatte als Abiturfach Psychologie, habe mich also immer schon ein bissl interessiert dafür und mich mal eine Zeit lang sehr intensiv mit dem Verhältnis von C. G. Jung und Sigmund Freud beschäftigt.

Die stoische Miene von Brock erfordert große Präzision. Kleinste Regungen kriegen Bedeutung. Wie schwierig ist es, das zu spielen?

Wir haben uns von Film zu Film immer mehr in eine Reduktion begeben. Unser Kameramann, der David Slama, der leider verstorben ist, hat irgendwann einmal zu mir gesagt: „Ich schaue durch deine Augen in deine Seele.“ Wir haben Brock immer wieder in Situationen reinrauschen lassen, die sich allein durch das Auge des Betrachters, durch einen Blick oder eine Pause erschließen, und das finde ich eigentlich eine Kunst. Der lebt einfach so wortlos und wortkarg und wenn dann ein Satz kommt, dann ist der ein Treffer und alles andere sind Reaktionen. Ich glaube, das ist trotzdem ein Dialog, auch ohne Worte, und zieht das Publikum mit. Das hat uns der Erfolg ja auch bestätigt.

Dieser Fall konzentriert sich noch mehr auf Brock als Person, der so viel Emotion zeigt wie noch nie. In der Konfrontation mit seiner Freundin und deren Ex rastet Brock sogar einmal ziemlich aus. Ist das eine neue Facette, der menschlichere Brock? Er ist ja jetzt auch Opa …

Die Geschichte endet ja jetzt wirklich mit einer Folge, wo der Mann mit dem Rücken an der Wand steht. Er wird verfolgt, denn er hat gesehen, von wem der Amokläufer erschossen wurde, und die beiden haben immer noch eine Rechnung offen.

Dann hat er sich zum ersten Mal seit Jahren einer Frau wirklich geöffnet — die die Katrin Bauerfeind so charmant und präzise spielt mit ihrer wirklich tollen Art — und dann wird ihm durch ihre furchtbare Exekution ein Pfeil durchs Herz gebohrt. Der Mann, der jetzt so tief in Schwierigkeiten steckt, sich verstecken und Angst haben muss, ermordet zu werden, der fühlt sich auch gleichzeitig noch schuldig am Tod der Freundin. Das miterleben zu müssen, im selben Raum, wie sie exekutiert wird, das ist schon harter Tobak.

Das ist sicher die emotionalste Folge von „Spuren des Bösen“, dazu gehört auch, dass Brock Großvater geworden ist. Am Schluss haben wir ein Finale, wo Brock mit seiner Tochter und seinem Enkelkind am Donaukanal, auf seiner berühmten Joggingstrecke, quasi dem Sonnenuntergang entgegen reitet und in dem Moment ist das für ihn wirklich das Ende.

Die nächste Folge wäre die 10., also quasi eine Jubiläumsfolge. Wird es die geben?

Im Moment ist das jetzt ein Finale. Nach dieser Wucht, mit der jetzt eine Figur ins Leben zurückkehrt, kann man nicht einfach zum Tagesgeschäft übergehen.

Sie haben sehr viel Theater, Kino und Fernsehen gemacht. Wie würden Sie „Spuren des Bösen“ einordnen?

Das ist eine ganz besondere Arbeit gewesen und ein großes Geschenk, mit einem immer gleichen Kreativteam, in dem immer die gleiche Sprache gesprochen wurde. Wir haben uns bombig verstanden. „Spuren des Bösen“ ist in dieser Stringenz, mit der liebevollen Hand und der Intensität der Geschichten eine ganz besondere Reihe. Ich war dafür auch Emmy-nominiert und wir sind mit Preisen überhäuft worden.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Es wird einen Film geben über die Zeit des Mauerfalls, erzählt anhand des Friedrichstadt-Palastes, dem großen Revuetheater, da bin ich mit dabei. Dann gibt es ein großes Projekt mit Andreas Prochaska in der zweiten Jahreshälfte. Weiters steht noch ein Zweiteiler im Raum, der in der fiktiven Stadt Nordholm an der Ostsee spielt, den wir ab Mai drehen wollen.

Es gibt also Ideen genug, Pläne sind vorhanden, einiges ist im Anflug.

Mit HEINO FERCH sprach Melanie Wagenhofer

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