Dollhofer: „Vertrauen der Kinobesucher zurückgewinnen“

Crossing Europe: Christine Dollhofer über die Notbremsung und die Zukunft der Filmbranche

Crossing-Europe-Festivalleiterin Christine Dollhofer
Crossing-Europe-Festivalleiterin Christine Dollhofer © Violetta Wakolbinger

Am 21. April hätte die 17. Ausgabe des Linzer Filmfestivals Crossing Europe gestartet.

Angesichts der Corona-Pandemie und des Veranstaltungsverbotes musste die Festivalleiterin Christine Dollhofer die heurige Ausgabe absagen, hat sich aber mit ihrem Team ein paar Alternativen einfallen lassen.

VOLKSBLATT: Wie enttäuscht sind Sie, wenn Sie das fertige Programm für Crossing Europe 20202 jetzt vor sich haben?

DOLLHOFER: Es ist natürlich schon sehr bitter, nach monatelanger harter Arbeit kurz vor dem Ziel eine Notbremsung hinlegen zu müssen und jetzt mit ein paar Bausteinen zu versuchen, die Idee am Leben zu erhalten. Aber man kann ein Festival, das vom Austausch zwischen Filmschaffenden und Publikum lebt, nicht ersetzen. Aber in Anbetracht der dramatischen Lage weltweit ist jetzt natürlich ein Festival das am wenigsten Wichtige. Andererseits möchten wir natürlich auch die Filmkultur am Leben erhalten.

Was ist seit den ersten Einschränkungen passiert?

Man hat das bis Anfang März irgendwie verdrängt und sich gedacht, bis April würde das alles erledigt sein. Aber die Perspektive hat sich täglich verändert und am 18. März haben wir das Festival abgesagt. Dann war die große Panik, was bedeutet das für unser Team, für unsere Finanzen, Stornos. Die Diagonale hat demonstriert, dass man einiges als Streaming zur Verfügung stellen kann. Bei uns ist das aber problematischer, da wir österreichische Erstaufführungen präsentieren mit internationalen Weltvertrieben. Das ist nicht so einfach, Filme unentgeltlich fürs Streaming zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Welche Festivalalternativen gibt es jetzt?

Auf vodclub.online und flimmit werden zehn Filme angeboten, ein Querschnitt aus dem Programm. Am Tag der geplanten Eröffnung, dem 21. April, werden wir mit dorftv eine Ersatzeröffnung machen mit dem wunderbaren Film „The Linzer Candyboy“ von Michael Pfeifenberger über den in Linz geborenen Filmemacher Micha Shagrir und Musikvideos zeigen. Auf jeden Fall wollen wir im Herbst, wenn die Kinos da wieder aufsperren können, mehrere Filme in Kooperationen zeigen. Mit dem OÖ Kulturquartier wollen wir im Oktober ein „Local Artits-Wochenende“ machen und mit der Ars Electronica, dem VALIE EXPORT-Center, dem Lentos und dem Landesmuseum unser „VALIE EXPORT Tribute“ bei der Ars im Moviemento präsentieren. Ab Herbst werden wir auch jeden Dienstag um 18 Uhr im City-Kino einen oder zwei Crossing-Europe-Filme präsentieren. Ganz aktuelle Filme sollen nächstes Jahr gezeigt werden. Wir versuchen eben, den Spirit von Crossing Europe am Leben zu erhalten.

Vieles wird sich in den Herbst verschieben …

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Im Herbst sollten wir wieder vorarbeiten für 2021. Aber wir werden das schon managen. Man merkt, was immer schon die Stärke von Oberösterreich war: dass alle zusammenhelfen und man schaut, dass man was gemeinsam auf die Beine stellt. Ich muss sagen, dass ich sehr erleichtert bin, dass es von Seiten der Politik und speziell auch der Kulturpolitik wirklich diese positiven Signale gibt, dass man die Leute auffängt und nicht im Regen stehen lässt. Wir sind ja keine Betriebe, die Rücklagen haben oder Gewinne erzielen, von denen wir zehren können.

Wie schaut es denn finanziell jetzt aus?

Wir versuchen, mit den Alternativprojekten bis Jahresende über die Runden zu kommen. Nachdem wir die ganze Struktur total runtergefahren haben und so wenig Kosten wie möglich produzieren, wird sich das hoffentlich plus minus ausgehen. Ein großer Dank an die Sponsoren, die sehr unterstützen. So wie die Signale von der Wirtschaft generell sind, habe ich jetzt eher Angst, wie die Zukunft der Kulturbudgets aussehen wird.

Aber es gibt keine Angst um den Fortbestand des Festivals?

Wir sind in der Finanzierung sehr breit aufgestellt. Wenn, dann betrifft das die ganze Filmindustrie. Man muss bedenken, dass ganz viele Filme nicht fertiggedreht werden können. Natürlich wird es nächstes Jahr Filme geben, aber wahrscheinlich nicht so viele, wie in den letzten Jahren. Ich habe keine Existenzängste, was das Festival betrifft. In irgendeiner Form wird man immer ein Festival machen können. Eine große Frage ist, ob etwa Reisen nächstes Jahr schon wieder möglich sein wird.

Wie wird sich dieser angesprochene Stillstand auf die Film- und Kinobranche auswirken?

Das größte Problem wird sein, wie man das Vertrauen der Kinobesucher zurückgewinnt. Wann wird der Zeitpunkt sein, wo man sich wieder gemeinsam in einem Raum versammelt und Filme schaut? Wenn die Kinos wieder aufsperren können, aber keiner kommt, wäre das finanziell noch viel dramatischer. Die ganze Filmindustrie ist ein riesiger Wirtschaftsfaktor mit vielen Arbeitsplätzen. Noch kann man das abfangen, aber wenn es lange dauert, wird es sehr dramatisch. Es braucht Hilfspakete wie in allen anderen Wirtschaftsfeldern. Die ganzen Hollywood-Blockbuster sind verschoben worden. Wenn es im Herbst wieder geht, wird das die Megaschlacht um die Spielplätze in den Kinos geben. Man wird sich gut absprechen müssen, damit man das Publikum nicht überfordert mit Kulturangeboten.

Schauen Sie jetzt mehr Filme?

Ich habe immer Filme zu schauen und bin ja Gott sei Dank im Büro. Aber die gesamte soziale Interaktion fehlt, auch im Kulturbetrieb. So wie es in Oberösterreich, in Linz läuft, jeder kennt jeden, man begegnet sich, alle wichtigen Infos bekommt man frei Haus geliefert, wenn man Leute trifft. Die ganze stille Post funktioniert nicht mehr.

Mit CHRISTINE DOLLHOFER sprach Mariella Moshammer

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