Dorfer: „Ich dachte, das liegt außerhalb meiner Kapazitäten“

Alfred Dorfers „Figaro“ am 29. November auf ORF III — „Ich bin quasi mit Mozart aufgewachsen“

Kabarettist, Schauspieler und Regisseur Alfred Dorfer
Kabarettist, Schauspieler und Regisseur Alfred Dorfer © dpa/Schmidt

Eigentlich hätte sich am 12. November der Vorhang für die erste Opernregie des Satirikers Alfred Dorfer heben sollen: Mozarts „Nozze di Figaro“ im Theater an der Wien ist jedoch wie vieles andere ein Coronaopfer geworden — in der Liveversion.

Denn, auch wenn das Haus eine physische Premiere in dieser Spielzeit noch für möglich hält, ist derzeit nur die TV-Premiere fix: Am 29. November wird die Dorfer-Inszenierung in ORF III zu sehen sein.

Den beiden Bühnenroutiniers Cristina Pasaroiu und Florian Boesch als Gräfin und Graf Almaviva steht dabei ein junges Ensemble gegenüber, während Stefan Gottfried als Chef des Concentus Musicus den Graben beherrscht.

Vor seinem in jeder Hinsicht besonderen Debüt sprach Alfred Dorfer nun über seinen Respekt vor dem Genre, schlechte Opernlibretti und warum er die Hoffnung immer noch nicht aufgibt.

Man hätte Sie ja als Regiedebütant vielleicht eher einmal beim Spielfilm gesehen — und jetzt ist es die Oper geworden. Wie kam das zustande?

ALFRED DORFER: Ganz simpel: Direktor Geyer hat mich gefragt, ob ich in der Tradition des Theaters an der Wien, wo immer wieder genrefremde Leute wie (Christoph, Anm.) Waltz oder (Stefan, Anm.) Ruzowitzky gefragt werden, nicht einmal eine Opernregie machen möchte. Und nach langem Zögern — begründet durch den großen Respekt und die große Empathie, die ich vor und für das Genre habe — habe ich dann doch zugesagt.

War Ihnen der Gedanke an eine Opernregie zuvor je gekommen?

Niemals! Und zwar aus denselben Gründen, weil ich gedacht habe, das liegt außerhalb meiner Kapazitäten.

Wie sehr lag es am „Figaro“, dass Sie sich nun getraut haben? Hätten Sie auch für eine Wagner-Oper zugesagt?

Mozart ist die Musik meiner Kindheit, ich bin quasi mit Mozart und der Wiener Klassik aufgewachsen und habe sechs Jahre klassischen Klavierunterricht gehabt. Das ist so etwas wie die Grundmelodie meines Lebens. Und daher war das für meine Zusage schon entscheidend. Bei anderen Opern, zu denen ich weniger Bezug hätte, wäre die Entscheidung wahrscheinlich in die andere Richtung ausgefallen.

Wie würden Sie nun selbst Ihr Regiekonzept umreißen?

Mein Konzept ist relativ einfach. Offen gesagt, und ich sage das auch gerne, obwohl ich weiß, dass ich mir damit wenig Freunde mache: Das Schlimmste für mich an der Oper sind dumme Regieideen. Das Zweitschlimmste, und das hängt damit zusammen, ist, wenn sich die Regie zu wichtig nimmt. Es gehen nicht viele Menschen in die Oper wegen der Regie, aber viele Menschen gehen nicht mehr in die Oper wegen der Regie. Der „Figaro“ ist dabei ein Spezialfall mit dieser absoluten Heutigkeit, mit diesen modernen Charakteren und dem sehr, sehr starken Libretto. Es gibt ja auch großartige Opern, die vom Libretto her …

… selten dämlich sind. Sagen wir es offen …

Das wollte ich jetzt nicht so formulieren. (lacht) Beim „Figaro“ war es mir jedenfalls von Anfang an klar, dass es keine Analogisierung braucht und man ihn an einen komplett anderen Ort wie ein Schwimmbad verlegt. Wir spielen in einem verfallenden Schloss, unser Adeliger ist ein Geldadeliger, und wir haben sozusagen bewegliche Räume. Die Wände können fahren, und der Raum ist damit verhandelbar. Es geht ja auch in dieser Oper sehr um Macht und Raumgewinn beziehungsweise Raumverlust.

Der „Figaro“ besitzt zugleich auch ein starkes komisches Element. Prononcieren Sie das als Humorist besonders?

Ganz im Gegenteil: Wenn es am Schluss so ist, dass man die Handschrift eines Satirikers nicht bemerkt, also wenn man nicht das Gefühl hat, „Ach so, der kommt aus diesem Genre und möchte das auch in dieses Genre übertragen“, dann wäre ich sehr glücklich. Die Komik, der Unsinn entsteht aus dem Stück selbst, auch die Situationen aus dem Spiel, aber wir haben keine optischen oder zusätzlichen Gags eingebaut. Das schien mir nicht adäquat.

Wie ging es Ihnen damit, mit dem Dirigenten ein zweites Machtzentrum an der Seite zu haben?

Ich kenne diese Delegationsgeschichten ja vom Film. Ich kann sehr gut mit Arbeitsteilung, und ich kann vor allem sehr gut mit dem Gefühl, Menschen, die etwas viel besser können als ich, das Feld zu überlassen. Und das gilt natürlich für Stefan Gottfried als Dirigent, der sein Handwerk bestens beherrscht. Da muss ich mir dann keinen Raum nehmen.

Durch die Coronasperre ist nun eingetreten, wovon normalerweise jeder Regisseur träumt: mehr Probenzeit zu haben. Konnten Sie diese nützen? Oder hat es das Lampenfieber nur verlängert?

Fifty Fifty. Es war so, dass wir für gewisse Dinge viel mehr Zeit hatten, wie zum Beispiel intensiv zu beleuchten. Und das andere Fifty ist, dass es dann natürlich auch eine pädagogische Aufgabe als Regisseur ist, die Spannung zu halten — stimmungs- und motivationsmäßig. Die Umstände stahlen halt auch sehr in den Probenprozess hinein.

War diese Opernregie für Sie eine einmalige Erfahrung, oder haben Sie Blut geleckt und werden das Kabarett ganz hinter sich lassen?

Letzteres sicher nicht, wobei ich momentan nicht auftreten darf. Dieses Jahr war ja für uns alle ein sehr spärliches, was die Livegeschichten betrifft. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich aufgrund dieser Anspannung und der Intensität der Arbeit noch keinen Gedanken darauf verwenden — nicht verschwenden! — konnte, ob die Oper etwas ist, was für mich in die Zukunft weist oder eine einmalige Sache war.

Mit dem breiteren Blick auf die Situation der Kultur unter Corona: Sie haben relativ früh versucht, ein Bewusstsein für die prekäre Lage zu schaffen und die Initiative „Wir und Kultur“ mit ins Leben gerufen. Wie sehen Sie die Situation mittlerweile?

Wenn es eine Ernüchterung gäbe, würde ich die nicht äußern. Es ist eben — wie man in Deutschland so schön sagt — das Bohren harter Bretter. Wir haben damals versucht, das Ganze auf eine breitere Ebene zu stellen, indem man alle wesentlichen Bereiche dieses Landes dazu auffordert, ein Statement für die Kultur abzugeben. Das hat ziemlich breite Wirkung gehabt und vielleicht auch manche Leute davon überzeugt, dass Kunst und Kultur zumindest ein Wirtschaftszweig ist, der viele Menschen beschäftigt, die man gar nie sieht.

Zugleich unterstützen Sie die Verfassungsklage einiger Kollegen gegen den Umgang mit der Kulturbranche im Teillockdown …

Ich glaube, dass man so etwas wie diese Verfassungsklage vorantreiben muss. Wir müssen aber realistisch bleiben, dass es ein großflächiges Desinteresse an Kunst und Kultur gibt in diesem Land. Das ist ein Auftrag, bei dem man die Ergebnisse nicht täglich und auch nicht wöchentlich und auch nicht monatlich sieht. Aber man glaubt daran, dass irgendwann ein Ergebnis in der Zukunft erreicht sein wird.

Sie haben die Hoffnung also nicht aufgegeben, dass man das Bewusstsein zumindest ein wenig schärfen kann?

Das kann ich aus vollem Herzen sagen!

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