„Eil Senden Ess Oh Ess“

1970er-Kindheit: Barbara Schwarcz' Debüt „Sommerverschwendung“

Barbara Schwarcz: Sommerverschwendung. Picus Verlag, 216 S., € 22 © Picus Verlag

Die ersten „echten“ Sommerferien der Siebenjährigen, irgendwann soll die Reise nach Ungarn gehen. Endloses Warten, kein azurblaues Meer, dafür ein imaginiertes über den Bäumen: „Alles ist gelb von der Sonne, die sich langweilt, weil sie so allein ist dort oben, keine Wolke da, mit der sie Verstecken spielen könnte, so treibt sie verlassen in dem umgekehrten Meer über den Bäumen.“

Ein Sommer Ende der Siebzigerjahre, die beste Freundin in Sardinien, tote Hose in Linz-Kleinmünchen. Barbara Schwarcz erzählt in ihrem Debütroman „Sommerverschwendung“ vom Kind-Ich als „Du“, spürt aus der zeitlichen Distanz der inneren Wahrnehmung des Mädchens nach. Die geliebten Bullerbü-Bücher Astrid Lindgrens beflügeln die Fantasie, das süße Geheimnis des Sommers ein Brief von Lindgren. Die „beste Schriftstellerin der Welt“ hat auf einen „von dir in der allergrößten Euphorie verfassten Brief“ geantwortet.

Dem Mädchen kommen beim Reden die Sprachfärbungen durch ihre Eltern durcheinander. Das siebenbürgische Deutsch der Mutter, die in einer Flüchtlingsunterkunft aufwuchs. Deren eingeschobene N („Linsnen“), das heitere „Grüßteich“ des Vaters, eines Ungarnflüchtlings. Das Mädchen entwickelt daraus seine eigene Sprache: „Du sprichst nicht, du spielst sprechen, du sprielst.“

Schlicht bezaubernd

Schlicht bezaubernd, wie Schwarcz diesen Sommer des endlosen Wartens einfängt. Die Karpfen, die nach Pichlingersee schmecken, der Pichlingersee, der nach Karpfen schmeckt, also wäh. Die Krensuppe der Großmutter (wäh) und ihre herrlichen Eierkuchen („Klaetsch“). Popmusik aus den Geschwisterzimmern, das schöne Spiegelwort „ABBA“ (die Schwestern), die Brüder hören „EIL SENDEN ESS OH ESS TUDÄ WÖAH“ (The Police, „Message In A Bottle“).

Lindgren und eine Schildkröte inspirieren das Mädchen früh zum Schreiben. „Du hast dich auf das Tempo der Schildkröte eingeschwungen, dich auf ihre Bewegungen eingeschaut. In ihrer flinken Langsamkeit erkennst du dich wieder. Sie entspricht dir. Reden ist schnell, zu schnell für dich. Schreiben ist langsam und hat seine eigene Schnelligkeit. Das Schreiben geht mit der Schildkrötenzeit zusammen.“ Kapitelweise rückwärts bis „TAKE OFF“ zählt die 1972 in Wels geborene Schwarcz den Countdown zur Ungarnreise. „Sommerverschwendung“ schwingt sanft melancholisch, doch es ist ein fröhliches Buch und ein Lesegenuss.

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