Ein bisschen wie „schneller Vorlauf“

Theater an der Wien: Mozarts „Figaro“ in Alfred Dorfers Regie per TV

Ekin Su Paker (Barbarina), Robert Gleadow (Figaro)
Ekin Su Paker (Barbarina), Robert Gleadow (Figaro) © Moritz Schell

Wie geht man mit Katastrophen um? Am besten kreativ. Die Corona-Pandemie, die derzeit wieder das tägliche Leben lahmlegt und damit auch ein Ende der Live-Kultur bedeutet, würde unendlich viel vorgeleistete Arbeit zerstören – wenn es nicht die Möglichkeit gäbe, Oper vor leerem Haus, aber für ein weit größeres Publikum, als live je Platz hätte, im Fernsehen zu präsentieren. Die Staatsoper wird demnächst „Tosca“ (mit Anna Netrebko), „Rosenkavalier“ (mit Günther Groissböck) und „Werther“ (mit Piotr Beczala) anbieten.

Das Theater an der Wien wollte sich die Pointe nicht entgehen lassen, dass man einen von Österreichs besten Kabarettisten, Alfred Dorfer, eingeladen hat, Mozarts „Le nozze di Figaro“ zu inszenieren. Er bekam die Möglichkeit, seine Arbeit in einer Fernsehaufzeichnung auf ORF III zu zeigen.

Ganz so toll, wie man wohl gehofft hat, ist es dann doch nicht ausgegangen. Die Oper wurde nicht nur um eine gute Stunde gekürzt, sie ist auch in einer so „abgespeckten“ Version zu sehen, dass man meinen könnte, es sei von dem Originalwerk nur das Skelett geblieben, das gewissermaßen „im schnellen Vorlauf“ abgespult wird.

Kein schlüssiges Konzept

Alfred Dorfer hat sich zwar in Interviews dezidiert gegen die „Ideen“ des Regietheaters ausgesprochen, aber auch er griff zu der mittlerweile gänzlich abgegriffenen Lösung, das Stück hier und heute in Alltagskleidern spielen zu lassen, zumal in weitgehend leeren Zimmern, die nichts preisgeben – wo ist man, wer sind die Leute, was wollen sie?

Wo bleibt die Geschichte, wenn ein Figaro in Jeans ja von keinerlei Problemen sozialer Abhängigkeit gequält wird, die Mozarts Oper kennzeichnen? In einer Welt, die sich nicht definiert, findet auch nicht wirklich eine Geschichte statt. Und der Humor, den man gerade von Dorfers bekannter Hintergründigkeit erwartet hätte, bleibt außen vor – da hat er gelegentlich eher Sinn für die Brutalität des Umgangs. Im Endeffekt erkennt man kein schlüssiges Konzept.

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Man hört allerdings, dass der legendäre Concentus Musicus auch nach dem Tod von Nikolaus Harnoncourt der alte geblieben ist, man musiziert unter der Leitung von Stefan Gottfried so markig und unromantisch wie immer, aber mit einem Verve, das die szenische Ideenlosigkeit über weite Strecken überspielt. Cristina Pasaroiu (Gräfin) und Giulia Semenzato (Susanna) sind attraktive Damen, Florian Boesch (Graf) und Robert Gleadow (Figaro) raustimmige Herren.

Die hohe Schule des Mozart-Gesangs, von der man in Österreich ja einiges versteht, erlebte man leider nicht. Als Zeichen, dass sich die Kultur nicht unterkriegen lässt, hatte der Abend allerdings seinen Wert.

Von Renate Wagner

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