Ein brillanter „Nicht-mehr-Skandal“

Schnitzlers „Reigen“ verblüffte als Lesung beim Attergauer Kultursommer

Michael Dangl (hier auf Archivfoto) konnte am Sonntag bei seiner Lesung in Seewalchen das Publikum fesseln.
Michael Dangl (hier auf Archivfoto) konnte am Sonntag bei seiner Lesung in Seewalchen das Publikum fesseln. © APA/Hans Punz

Um das Jahr 1900 ein Skandal, heute ein Klassiker der Literatur: Der „Reigen“ von Arthur Schnitzler! Am Sonntag im Kulturzentrum Aichergut in Seewalchen im Rahmen des Attergauer Kultursommers als Lesung brillant dargeboten von Burgschauspieler Michael Dangl. In Zusammenarbeit mit der Klimt-Foundation.

Der Reigen besteht bekanntlich aus zehn Dialogen, jeweils von einer Frau und einem Mann. Sehr unterschiedliche Situationen und Figuren, von der Prostituierten über die Ehefrau bis zum Soldaten. Oder zum Dichter und zum „noblen Herren“.

Männer wollen „nur das Eine“, Frauen nur Liebe

Die männlichen Protagonisten wollen in allen Fällen „nur das Eine“, während bei den Frauen immer auch die Liebe – oder was sie dafür halten – mitspielt. Im Endeffekt betrügt jeder irgendwen und Schnitzler resümiert: „Worüber am meisten geredet wird, das gibt’s nicht – die Liebe.“

Dass jede der Szenen auf finalen Sex hinausläuft, das war in der Gesellschaft um 1900 ein veritabler Skandal, regt aber heute wohl niemand mehr wirklich auf. Auch wenn bei Schnitzler genau dieses Finale mit keinem Wort zum Ausdruck kommt – aber jeder im Publikum wusste damals, was Sache ist.

Und jeder verstand die schonungslose Kritik an der Scheinmoral. Genau so hat auch Michael Dangl seine Lesung angelegt: Die entscheidenden erotischen Dinge passierten auf der Lesebühne nur als leise Musik mit der Mundharmonika, alles andere war der Fantasie des Publikums überlassen.

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Dangl selbst beeindruckte mit sparsamer Gestik, abwechslungsreicher Stimme, modulierte verbal die verschiedenen Typen und trug auf diese Weise nochmals zur Anregung der Fantasie im idealen Ambiente des Aicherguts bei.

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