Ein ganz und gar nicht rosiges Leben

Premiere im Musiktheater: „Piaf“-Musical von Pam Gems mit Daniela Dett

Daniela Dett konnte überzeugen, das Musical in seiner Gesamtheit nicht ganz so sehr wie erhofft.
Daniela Dett konnte überzeugen, das Musical in seiner Gesamtheit nicht ganz so sehr wie erhofft. © Reinhard Winkler

Die Herbstsaison startete am Freitag im Musiktheater mit dem Musical „Piaf“ von Pam Gems. Die Freude beim Publikum so groß wie im Ensemble. Fast drei Stunden dreht sich dann die Bühne (von Mathias Fischer-Dieskau) um Bilder aus dem Leben des Jahrhundertphänomens Edith Piaf.

Ihr exzessives Huren-Zuhälter-Drogenleben bleibt lebenslängliches Markenzeichen. Jede Biografie vermischt Historisches mit Mythen, die sich schon zu Lebzeiten um die Piaf, geboren 1915 als Edith Gassion, Mutter Hure, Vater Straßenakrobat, rankten.

Bis an ihr frühes Ende mit 47 Jahren handelt sie nach den Regeln der Unterwelt, wechselt mit wachsendem Erfolg die Fronten, agiert mit der Skrupellosigkeit einer Zuhälterin, mit der Wut einer vergeblich nach Wärme und Liebe Suchenden.

Auf den Schultern einer einzigen Darstellerin liegt das ganze Gewicht dieser Rolle: Daniela Dett. Anfangs noch Straßenmädchen, eine plärrende Göre mit unverwechselbarem Timbre. In dieser Phase steht Dett noch ihre naturgegebene Noblesse ein wenig im Weg.

Zwischen den Szenen geht sie an die Rampe, singt die berühmten Chansons. Am Mikrofon verschmilzt sie mit der Figur Piaf. Ihre extraordinäre Stimme nimmt gefangen wie in den 1930ern, als „La Mome Piaf“ auf der Straße entdeckt wird.

Rückblenden beleuchten prägende Ereignisse

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Die Rückblenden auf das Leben der Piaf beleuchten einzelne prägende Ereignisse. Symbolische Bühnenauftritte unterbrechen oder beenden die Szenen. Im Vordergrund steht die Biografie, die Folge der Chansons passt der musikalische Leiter Tom Bitterlich der jeweiligen Stimmung an. Aus dem Orchester „Les Bohemiens de Paris“ betört der französische Charme des Akkordeons von Manuela Kloibmüller.

Vielleicht wollte Regisseur Matthias Davids ja verklärende Romantik abstreifen. Das Pariser Leben vom Strich bis zum einsamen Künstlerleben, vollgepumpt mit Drogen, erlebte die Piaf in einzelnen Szenen sicher genauso zäh und mühsam wie das Linzer Publikum. Auch Ansätze von Humor wollen nicht recht landen. Das Dasein des durchaus viel beschäftigten Ensembles dient höchst authentisch ausschließlich dem Ruhm einer immer unerträglicher und gebrechlicher werdenden Person.

Vorkenntnisse der Piaf’schen Biografie helfen beim Verständnis. Unverblümtes Pariser Straßenmilieu zeigt die junge Piaf, wenn sie mit der Freundin plaudernd einen Freier an der Hausecke bedient. Nina Weiss als Toine zeigt den unspektakulären Wandel zur „anständigen Frau“. Den kollektiven Jubel beim Kriegsende übertönt der unsterbliche Gassenhauer „Milord“ samt seinen herzzerreißenden traurigen Brüchen. In tiefstes Rot tunkt die Technik. Auf allen Ebenen versucht das Ensemble dem Taumel zwischen Ektase und Elend gerecht zu werden.

David Arnsberger hat einen Glanzauftritt als lächerlicher Countrysänger, den die Piaf zum Charmeur Yves Montand macht. So unvermittelt wie er plötzlich „O sole mio“ schmettert, gibt Sanne Mieloo als Marlene Dietrich in einer Art Liebesszene ihre Version von Lili Marlen zum Besten. Mit Christian Fröhlich, der als letzter Ehemann Theo Sarapo körperlich fast doppelt so groß wirkt wie sie, singt Piaf ihr einziges Duett.

Daniela Dett wächst über sich hinaus

Im Verfall wächst Daniela Dett über sich hinaus, Stimme und Ausdruck kommen dem Original noch näher, schmächtig wird ihr Körper, Persönlichkeit und Ruhm wachsen zugleich ins Unermessliche mit „La vie en rose“ oder „Mon Dieu“, dabei steht „Non, je ne regrette rien“ noch bevor. Sie singt es posthum, will die Inszenierung. Der lange Applaus gilt allen Schauspielern, für Dett erhebt sich das Publikum.

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