Ein halbes Jahr schon dauert Putins Krieg

Am 24. Februar hatte der russische Angriff auf die Ukraine begonnen, ein Ende ist nicht in Sicht

Trotz der ständigen Bedrohung haben sich viele Ukrainer so etwas wie einen normalen Alltag bewahrt.
Trotz der ständigen Bedrohung haben sich viele Ukrainer so etwas wie einen normalen Alltag bewahrt. © AFP/Dyachyshyn

„Gib niemals auf“ hat sich ein ukrainischer Soldat auf den Arm tätowieren lassen. Doch nach einem halben Jahr Krieg in der Ukraine wird das Durchhalten immer schwieriger. „Es fließen viele Tränen und viel Blut, dein Herz weint“, meinte ein Militärarzt an der Front nahe Mykolajiw im Süden des Landes.

Vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine arbeitete der 40-Jährige als Zahntechniker, jetzt sitzt er mit seinen Kameraden in einem unterirdischen Bunker beim Essen. Hunde und Katzen streunen durch die Anlage, während die Männer ihre Suppe löffeln.

„Sechs Monate Krieg sind nicht nur ein großes Leid für das Land, sondern auch ein kleines Leid für jeden Einzelnen“, resümiert Soldat Mykola. Artem, stellvertretender Kommandant des Bataillons, räumt ein: „Wir haben unsere Soldaten darüber informiert, dass sich der Konflikt über Jahre ziehen könnte.“

Am 24. Februar hatte Russland seinen Angriff auf die Ukraine gestartet und versuchte, Kiew einzunehmen. Die Ukrainer leisteten jedoch erbitterten Widerstand und zwangen die russischen Truppen zum Rückzug aus der Gegend um die Hauptstadt. Inzwischen konzentrieren sich die Angriffe auf das Donbass-Becken mit seinen Industrieanlagen im Osten und den landwirtschaftlich geprägten Süden. Kiew kündigt seit Wochen eine massive Gegenoffensive im Süden an, die sich nach Angaben der Regierung aber wegen der schleppenden Waffenlieferungen des Westens verzögert.

Wie lange der Krieg schon dauert, wird in Mykolajiw deutlich: Aus aufgestapelten Sandsäcken an den Kontrollpunkten sprießt das Grün. Die Plakate, die zur Unterstützung der Truppen aufrufen, wurden vom Schnee aufgeweicht, von den Frühlingsstürmen zerfetzt und dann von der Sommerhitze ausgebleicht.

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Bis Kriegsbeginn lebte fast eine halbe Million Menschen in der Hafenstadt mit ihrem Zugang zum Schwarzen Meer. In den ersten Wochen der Invasion traf eine russische Rakete den Sitz der Regionalregierung und tötete 37 Menschen. Noch immer klafft das Loch in der Fassade, eine von vielen Kriegswunden der Metropole.

Noch immer wird die Stadt bombardiert, vergangene Woche wurde die Universität beschossen, man kann nun von außen direkt in die Hörsäle schauen. „Sie greifen die Schulen, die Krankenhäuser, den Hafen und die Infrastruktur der Stadt an“, sagte Rektor Klymenko. „Sie wollen das Bildungssystem völlig zerstören, überhaupt alles Ukrainische zerstören.“

Wenig Hoffnung

Nach sechs Monaten Krieg gibt es nur wenige Anzeichen für Fortschritte. Im Juli handelten die Vereinten Nationen und die Türkei ein Abkommen aus, das Getreideexporte aus der Ukraine ermöglicht und das zu funktionieren scheint.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges. „Es wird nicht leicht sein, kurzfristig einen Weg zum Frieden zu finden, aber wir müssen hartnäckig bleiben, denn Frieden ist das wichtigste Gut in der Welt.“

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