„Ein Hype, der einen Vorsprung geben kann“

Sängerin Ina Regen über ihr neues Album „Rot“, die Corona-Zeit und ihre Rolle in der Jury von „Starmania 21“

Ina Regen hat in der Corona-Zeit angefangen, sich in in einem Podcast gemeinsam mit ihrem Philosophielehrer Fragen von Fans zu widmen. (post@inaregen.at).
Ina Regen hat in der Corona-Zeit angefangen, sich in in einem Podcast gemeinsam mit ihrem Philosophielehrer Fragen von Fans zu widmen. (post@inaregen.at). © Gerd Schneider

Mit „Wia a Kind“ hat sie sich 2017 in die Herzen vieler gesungen. Jetzt legt sie ihr neues Album „Rot“ vor und sie ist ab Freitag Mitglied der Jury in der ORF-Castingshow „Starmania 21“.

Die gebürtige Grieskirchnerin Ina Regen über Vorbilder, Erwartungen und welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf ihre Musik gehabt hat.

VOLKSBLATT: Sie sitzen ab Freitag in der Jury von „Starmania 21“. Haben Sie die Show früher gesehen?

INA REGEN: Ich glaube, in meiner Generation — ich war damals Anfang 18 — gibt es kaum jemanden, der davon nichts mitbekommen hat. Bei uns in der Klasse war das ein Riesenthema, wir haben die Show am nächsten Tag groß analysiert und mitgefiebert und waren in diverse Kandidaten schockverliebt. „Starmania“ hat für mich einen großen Retro-Aspekt, das ist ein Stück erlebte Musikgeschichte.

Haben Sie einmal daran gedacht, selbst an einer Castingshow teilzunehmen?

Überlegt, ja. Die ersten beiden Staffeln wollte ich aber einmal schauen, was das eigentlich ist und dann war ich schon Musikstudentin und unter Musikstudenten war so eine Castingshow nicht wirklich cool. Und dann war ich auch schon mehr mit dem Jazz verbandelt und habe mich für die Marianne Mendt Jazz-Nachwuchsförderung entschieden.

Wie legen Sie Ihre Jury-Tätigkeit für „Starmania 21“ an?

Ich habe mir vorgenommen, hart in der Sache und weich im Ton zu sein. Ich möchte meine Rolle wertschätzend und respektvoll anlegen und nicht für einen spontanen Lacher Menschen diskreditieren, wie man es von anderen Formaten kennt. Das ist respektlos.

Wie wird es Ihnen damit gehen, jemand rauszuschmeißen?

Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht alleine treffen muss. Ich bin gespannt, wie hoch das Niveau der KandidatInnen ist. Davon hängt natürlich auch ab, wie leicht uns das dann fällt. Aber ich lasse es auf mich zukommen und vertraue auch ein bissl auf meinen Bauch. Entweder es berührt mich, entweder ich will tanzen oder plärren, aber es muss irgendwie außergewöhnlich sein.

Sie sind nicht nur musikalisch vielseitig, haben auch ein Studium der Sozialwirtschaft begonnen. Musik war nicht immer die einzige Option?

Im Herzen schon. Meine erste Aufnahmeprüfung an der Bruckneruni ist mir nicht geglückt, dementsprechend musste ich mir etwas anderes überlegen und das war Sozialwirtschaft. Dann habe ich noch einmal die Aufnahmeprüfung gemacht und es geschafft. Musik war schon, als ich klein war, immer irgendwie da. Ich habe Musicals mit meinen Barbies nachgespielt und das Klavier meiner Schwester war mein Lieblingsspielzeug.

Sich abzusichern, ist das etwas, das Sie auch den Kandidaten mitgeben möchten?

Castingshows vermitteln, eine Karriere wäre leicht zu kriegen im Sinne von man geht hin, zeigt sich der Welt und dann sagt die Welt: „Juhuu, auf dich haben wir gewartet!“ Für eine nachhaltige Karriere braucht es wesentlich mehr, man muss dafür viel arbeiten. Eine Castingshow ist ein Hype und kann einen Vorsprung geben. Wie man weiter mit den Rahmenbedingungen klarkommt, muss man dann zeigen.

Hatten Sie Vorbilder?

Bis zum Alter von zehn Jahren habe ich für Kaiserin Elisabeth eine absurde Bewunderung gehegt: für ihre Kleider, ihre Extravaganz und dafür, dass sie für ihre Zeit wahnsinnig emanzipiert und revolutionär war. Als Teenager, wo man dabei ist, sich als Persönlichkeit zu entwickeln, hatte ich dann kein eindeutiges Vorbild mehr. Später war Marianne Mendt eine Mentorin. Sie hat mir diesen Stress genommen, dass es ganz schnell gehen muss mit einer Karriere. Gerade in meinen 20ern konnte ich mir die Musik als Spielwiese erobern, mich ausprobieren und so eine natürliche Entwicklung machen.

Am 12. März erscheint Ihr neues Album „Rot“. Was dürfen wir erwarten?

Es ist eine logische Weiterentwicklung zu meinem ersten Album „Klee“, aber auch eine Veränderung. Wir haben bewusst neue Arrangement-Inputs gewählt, neue Soundgewänder, elektronischere Klänge mit hereingenommen. Und ich habe das Gefühl, es ist ein bissl erwachsener geworden. Wo „Klee“ manchmal so eine große Harmoniesehnsucht hatte und die Glücksdecke über alles legen wollte, hat „Rot“ mehr diesen ernsthaften Blick und drückt aus, dass das Leben komplex und kompliziert ist und es kaum einfache Antworten gibt.

Für Ihr erstes Album haben Sie nach Glück gesucht, was haben Sie für „Rot“ gesucht und gefunden?

Ich habe nach Wahrheit gesucht, um dann einzusehen, dass es die wahrhaftigen monotheistischen Wahrheiten kaum gibt, und nach Menschlichkeit: Was sind die Erfahrungen, die Menschen, die mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich bin und wie nehme ich mich als Teil unserer Menschheit wahr. Gerade der Titelsong ist für mich vielleicht unerwartet laut, vielleicht sogar wütend und rebellisch. Ich stehe dabei aber nie mit dem Zeigefinger außerhalb und teile auch meine Verwirrung und Verzweiflung darüber, wie komplex manches ist.

Hat man nach einem Hit wie „Wia a Kind“ auch Demut davor, das nicht mehr toppen zu können?

Ja, ich habe das Gefühl, dass die Erwartung von außen viel mehr die ist, dass ich das noch einmal toppen können sollte, und dass ich auf „Rot“ ein zweites „Wia a Kind“ hätte. Die Menschen, die „Wia a Kind“ lieben, könnten sich in „Lernen wie ma lebt“ gut wiederfinden, vielleicht auch in „Was ma heut net träumen“. Das große Wunder an „Wia a Kind“ war halt auch, dass niemand Ina Regen vorher kannte. Ich muss mich immer neu erfinden. „Lernen wie man lebt“ ist für mich die Erlaubnis, dass man das tun darf. Man muss sich als Künstler auch davon emanzipieren, dass man auf einen Song festgelegt wird. Ich habe mich weiterentwickelt und wenn das nicht jedem gefällt, ist das auch ok.

Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf Ihre aktuelle Musik?

„Rot“ war ja fast fertig, bevor die Pandemie uns getroffen hat. Das hat aber dann dazu geführt, dass das Album fast zur Hälfte neu entstanden ist. So zu tun, als hätte so eine globale Krise keinen Einfluss auf mich, auf mein Leben, auf meine Arbeit, wäre irgendwie weltfremd. Titel wie „Was ma heut net träumen“ sind in der Zeit entstanden, weil ich gemerkt habe, mir geht manchmal auch die Hoffnung aus und ich habe mich dann selber getröstet.

Sehen Sie Ihren Heimatort Grieskirchen manchmal?

Viel weniger durch Corona. Dass ich, wie es früher öfters war, zwei, drei Nächte bei Freundinnen übernachtet habe, ist jetzt halt gerade nicht denkbar, aber das vermisse ich schon.

In „Macarena“ bearbeiten Sie den Tod eines Jugendfreundes und in „Gleiches Bluat“ ein schwieriges Verwandtschaftsverhältnis …

Ich bin auf Spurensuche in meiner eigenen Seele gegangen und dann ist mit jeder Zeile mehr herausgekommen, was mich da so beschäftigt. Ich bin mir bewusst, dass das auch eine Überforderung darstellen kann für das Publikum, wenn man sich das anhören muss. Das geht so tief. „Macarena“ habe ich zuerst für mich selber geschrieben und dann gemerkt, dass ich mit meinem Schmerz, meiner Trauer, meinen Fragezeichen nicht alleine bin. Ich habe Nachrichten von Menschen gekriegt, die selber hart mit Depressionen zu kämpfen haben und in dem Song viel Kraft zum Weiterleben gefunden haben. Der schwierigste und auch intimste Schreibprozess neben „Macarena“ war „Gleiches Bluat“. Ich glaube fest daran, dass man aus familiären Beziehungen am meisten lernt. Diese Herausforderung, dass man für diese Liebe auch kämpfen und sich immer wieder aufeinander zubewegen muss, auch wenn man sich abstößt, es war mir wichtig, das zu thematisieren.

Sie haben eine Musicalausbildung und Sie hatten Schauspielunterricht. Würden Sie gern einmal einen Film drehen oder auf einer Theaterbühne stehen?

Schauspiel ist etwas, das mich auch schon seit meinem 15., 16. Lebensjahr begeistert. Ich kann mir sowohl vorstellen, selber einmal ein Musical zu komponieren, als auch eine Rolle mit Leben zu befüllen. Es gibt viel, wo ich mich gern in Kommunikation mit dem Leben bringen möchte, und da ist jede Form von Kunst eine gute Möglichkeit.

Mit INA REGEN sprach Melanie Wagenhofer

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