Ein langer „Prozess“ zwischen Drama und Skurrilität

Bühnenfassung von Franz Kafkas Roman am Linzer Schauspielhaus

Zweimal K.:Julian Sigl,Daniel Klausner
Zweimal K.:Julian Sigl,Daniel Klausner © Petra Moser

Haben Sie Ihren Kafka genau gelesen? Das ist jedem anzuraten, der sich am Schauspielhaus in Linz der neuesten Produktion „Der Prozess“ nach Franz Kafkas Roman hingibt. Ohne besagte Vorkenntnisse wird die fast dreistündige Inszenierung über weite Strecken undurchschaubar, unerklärbar. Kafkaesk eben. Aber das befriedigt als Zuschauer nicht wirklich. Premiere war am vergangenen Freitag.

In Kafkas berühmtem Roman geht es um den biederen Bankangestellten Josef K., der eines Morgens aus dem Bett heraus verhaftet wird. Ohne irgendeinen Grund. K. selbst beteuert seine Unschuld und geht von einem Irrtum aus. Doch die für K. völlig undurchschaubaren Mühlen des Gerichts mahlen unbarmherzig weiter.

Das Leben des Herrn K. gerät aus den Fugen, die juristische Macht wird immer bedrohlicher, bleibt aber weiterhin im Dunkeln, was K. jede Möglichkeit nimmt, sich wirkungsvoll zu verteidigen. Auch die Beziehungen des Bankmannes stehen ganz im Zeichen des drohenden Prozesses. Wobei bis zum Schluss nie erkennbar wird, welche Straftat man K. anlastet. Das Ende ist zwingend: Herr K. wird endgültig und im wahrsten Sinn des Wortes das Opfer einer dämonischen und vor allem auch korrupten „Gerechtigkeit“.

Nahe am Roman

Am Linzer Schauspielhaus wird „Der Prozess“ in der Bearbeitung von Matthias Günther gezeigt, die Inszenierung besorgte Peter Wittenberg. Die rund 20 Personen in Kafkas Roman werden von acht Schauspielerinnen und Schauspielern mit wechselnden Rollen umgesetzt.

Das Stück bleibt insgesamt nahe an Kafkas Romanvorlage, phasenweise wird diese sogar wörtlich vorgetragen. Wodurch sich eine veritable Textlastigkeit ergibt und die Aufmerksamkeit des Zuschauers erheblich gefordert ist. Das scheint dem Regisseur irgendwie bewusst gewesen zu sein, nach der Pause mutiert das Ganze zu einer ins Skurrile gehenden Show rund um die Frage, welche Arten von gerichtlichen „Freisprüchen“ man als Angeklagter erwarten kann. Kafka — studierter Jurist — entwickelt hier eine originell-eigenwillige Theorie, der die Linzer Inszenierung breiten Raum gibt.

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In der Dramenfassung wird K. von zwei Schauspielern dargestellt. Das hat zur Folge, dass man nie genau weiß, welcher Herr K. im Moment der „Richtige“ ist. Zumal dann der Eine auch als „Erzähler“ agiert.

In die teilweise kafkaeske Produktion passt auch der äußere Rahmen (Bühne Florian Parbs) mit einer Reihe von „mysteriösen“ Elementen. Was will uns zum Beispiel damit gesagt werden: Zwei schmale Traversen ragen links und rechts aus Löchern in der Bühnenwand und durch diese Öffnungen „treten“ die Schauspieler kriechend und auf den Traversen liegend auf? Oder warum muss der Anwalt, der K. vertritt, in seinem Krankenbett mit Plastik eingedeckt sein? Kafka, schau oba!

Ensemble bravourös

Ohne Abstriche positiv zu beurteilen ist das Ensemble. Die Textfülle wird ebenso bravourös bewältigt wie körperliche Herausforderungen. Die Darstellerinnen und Darsteller beweisen auch ein hohes Maß an schauspielerischer Wandlungsfähigkeit, haben sie doch bis zu fünf unterschiedliche Rollen zu verkörpern. Das Darstellerteam sei hier namentlich genannt: Julian Sigl und Daniel Klausner als „K.“, in den weiteren Rollen Katharina Hofmann, Alexander Julian Meile, Gunda Schanderer, Theresa Palfi, Jan Nikolaus Cerha, Lutz Zeidler.

Eine insgesamt nicht uninteressante Produktion, fast drei Stunden Dauer sind jedoch grenzwertig. Reduktion wäre möglich gewesen, ohne Kafka und der Roman-Dramatisierung Gewalt anzutun.

Von Werner Rohrhofer

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