Ein Radikaler, der immer allen anderen die Schuld gab

Linzer Nordico zeigt in Zusammenarbeit mit Haus der Geschichte NÖ Ausstellung „Der junge Hitler“

Video
Ich möchte eingebundene Video Inhalte sehen. Hierbei werden personenbezogene Daten (IP-Adresse o.ä.) übertragen. Diese Einstellung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft in der Datenschutzerklärung oder unter dem Menüpunkt Cookies geändert werden.

Das Taufbuch der Pfarrgemeinde Döllersheim, das belegt, wie aus Hitlers Vater Alois Schicklgruber Alois Hitler wurde; Postkarten, auf denen Adolf Hitler seinem einzigen Freund August Kubizek aus Wien berichtet und diesen herbeisehnt; ein Bescheid der Linzer Realschule aus dem Jahr 1904 über eine Nachprüfung des Schülers Adolf Hitler im Fach Französisch, der diesem bescheinigt, „gut begabt“ zu sein, aber „nicht den erforderlichen Fleiß“ aufzubringen; Aufnahmen aus dem Wiener Männerheim, das auch Hitler ab 1910 drei Jahre lang bewohnt hat, der, wie sich herausstellt, nie wirklich obdachlos war.

Das Linzer Nordico hat vom Haus der Geschichte in St. Pölten die Ausstellung „Der junge Hitler. Prägende Jahre eines Diktators 1889-1914“ übernommen, die dessen erste 25 Lebensjahre thematisiert. In St. Pölten konnte die Ausstellung coronabedingt nur wenige Monate gezeigt werden. In Linz wurde sie nun um interessante neue Forschungsergebnisse und Artefakte ergänzt, die erstmals museal präsentiert werden, wie Nordico-Leiterin Andrea Bina bei der gestrigen Pressekonferenz betonte.

Was noch nicht im Museum gezeigt wurde

Und dazu zählen jene 31 Originalbriefe von Alois Hitler zum Erwerb des Gutshofes in Fischlham, die dem Linzer Historiker Roman Sandgruber zugespielt worden sind (Publikation „Hitlers Vater“, 2021). Im Linzer Zimmer im Erdgeschoß des Museums sind sie in einer Vitrine zu sehen.

Im selben Raum auch eine weitere Museums-Premiere: 153 Zeichnungen, die Hitlers Sonderbeauftragter für Linz, Hans Posse, angefertigt hat, die nun zugeordnet werden konnten. Und das erste Manuskript zu August Kubizeks 1956 erschienener Biografie „Adolf Hitler, mein Jugendfreund“, die zeigen, dass dieser zwei hochrangige NS-Funktionäre als Co-Autoren hatte.

Bürgermeister Klaus Luger betonte bei der gestrigen Pressekonferenz die besondere Verantwortung von Linz, gehe es um die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus — auch im Hinblick darauf, ein Bewusstsein zu schaffen, was künftige Entwicklungen anbelange. „Die Aufarbeitung unserer Vergangenheit ist eine wichtige Basis für eine tolerante offene Gesellschaft“, stimmte auch Kultur-Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer ein.

Hitlers Biografie parallel zu Strömungen der Zeit

Die Ausstellung beleuchtet die Figur Adolf Hitler und parallel dazu die Zeit. In der Mitte der Räume im 1. Stock des Nordico jeweils in Schwarz gehaltenen Bereichen zentriert sich die Biografie des Massenmörders, seine Familiengeschichte, sein Dasein als Sonderling und Außenseiter, seine Träume und Pläne, sein Scheitern in der Schule und im Bemühen, studierter Maler zu werden oder seinem großen Vorbild Wagner nachzueifern. So ist ein Notenblatt zu sehen, für das Hitler, der selbst keine Noten schreiben konnte, seinem Freund Kubizek seien Vorstellungen von einer Oper diktiert hat.

Außen herum an den Wänden in Weiß die politischen Strömungen der Zeit: Antisemitismus, Rassismus, Deutschnationalismus, Militarismus uvm.. Eine sehr textlastige Ausstellung, die nach den Anfängen und Einflüssen fragt. Hitler wuchs in einem Klima von Deutschnationalismus und Tschechenhass auf, das ihn freilich beeinflusst hat. Vieles davon war damals Allgemeingut und ging schon seit Ende des 19. Jahrhunderts in der Gesellschaft um. Zunächst prägten ihn sein autoritärer Vater und Lehrer mit deutschnationaler Gesinnung.

Aber da war noch mehr: „Hitlers Charakter war von Anfang an geprägt von Radikalität, Hitler gab immer allen anderen die Schuld und für ihn gab es immer nur alles oder nichts“, so Christian Rapp, Leiter des Hauses der Geschichte NÖ und einer der Kuratoren. Als Hitler einmal ein Los der staatlichen Lotterie erwarb, war er davon überzeugt, zu gewinnen. Als das dann nicht eintrat, soll er getobt haben, heißt es in der Schau.

Hitler sei nicht von Anfang an eindeutig politisch zuordenbar gewesen, so Rapp. Eines seiner großen Vorbilder sei der christlichsoziale Wiener Bürgermeister Karl Lueger, politischer Superstar seiner Zeit und Antisemit, gewesen, auch mit der Sozialdemokratie soll Hitler phasenweise kokettiert haben. Der Erste Weltkrieg brachte die Wende, die Zeit danach mit ihren vielen Krisen verstand Hitler, der bis dorthin ein Niemand war und sich in einer Sackgasse befand, bekanntlich für die Verwirklichung seiner furchtbaren Pläne und Vorstellungen zu nutzen.

Führungen für Schulen auch via Zoom

Schulklassen bietet das Nordico, in das derzeit maximal 30 Personen Einlass finden, auch Zoom-Führungen in der Ausstellung, die bis 15. August gezeigt wird, an.

Von Melanie Wagenhofer

Das könnte Sie auch interessieren