„Ein sattes Volk kann besser denken“

Kino: Optische Köstlichkeiten in Éric Besnards „À la Carte!“

Kochen das „einfache“ Volk ein: Louise (Isabelle Carré) und Manceron (Grégory Gadebois)
Kochen das „einfache“ Volk ein: Louise (Isabelle Carré) und Manceron (Grégory Gadebois) © Filmladen

Auch wenn nach den vielen Feiertagen der Magen schon zur Aufgabe aufruft, das Gehirn die Augen auffordert, nicht immer größer sein zu wollen, und das Belohnungszentrum freiwillig w.o. gibt — ein letztes Aufbäumen des fleischlichen, gemüsigen und süßen Genusses gibt es meist zum Jahresausklang noch einmal. Und das heuer auch in den Kinos.

Éric Besnards („Birnenkuchen mit Lavendel“) „À la Carte – Freiheit geht durch den Magen“ ist nicht so komplex gestrickt, wie die kulinarischen Genüsse in dem Film gekocht werden. Es ist mehr ein optisches Vergnügen, das der Streifen bietet, denn ein inhaltliches.

Die Dekadenz ist auf ihrem Höhepunkt

Die Geschichte hinter den Fressalien: Die Dekadenz ist auf ihrem Höhepunkt. 1789, die Revolution steht bevor, bald hat es sich ausgelacht für die Adeligen in Frankreich. Noch bevor die Guillotine das Sagen hat, wendet sich der Koch Manceron (Grégory Gadebois) von seinem blaublütigen Arbeitgeber ab, will gekränkt gar nicht mehr zum Löffel greifen, wenn der Herzog ihn nicht zurückholt.

Doch es kommt alles anders: Gemeinsam mit seinem Sohn und Louise (Isabelle Carré) macht sich Manceron selbstständig, lässt das Lakaien-Sein hinter sich und sprengt Grenzen. Er bietet dem gemeinen Volk hohe Kochkunst an. Mit anderen Worten: Er eröffnet ein Restaurant für jedermann. Kulinarisch will der Koch zurück zu den Wurzeln, weg vom Firlefanz, hin zu Kartoffeln und Trüffel (die waren zu der Zeit in Frankreich kein Firlefanz, sondern maximal Schweinefutter). Ganz nebenbei werden auch noch die ordinären Pommes frites erfunden. „Ein sattes Volk kann besser denken“, sagt der fixe Sohnemann und en passant wird auch von der Emanzipation des Pöbels erzählt.

Tische im Grünen, hübsche Blumen auf selbigen, unglaublich nettes und zuvorkommendes Servicepersonal und ein hervorragender Koch, der seine Pasteten so verziert, dass man es kaum glauben mag. Eine Traumgastronomie zieht Manceron da im 18. Jahrhundert auf, und das für alle Menschen. Wie viele davon sich das ernsthaft hätten leisten können … Gut, diese Frage stellt Regisseur Besnard nicht, aber „À la Carte!“ funktioniert auch als kleines Märchen besser denn als historischer Tatsachenbericht. Dass am Ende Rache eine nicht unbedeutende Rolle spielt, lässt erahnen, warum nach dem Sturm auf die Bastille die einst Mächtigen die Guillotine erwartete.

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Von Mariella Moshammer

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