Ein „Schulgehülfe“ namens Anton Bruckner

In Windhaag bei Freistadt soll ein Begegnungsort zum Gedenken an den Komponisten entstehen

Der Brucknerbund Windhag widmete dem großen Meister diese Tafel.
Der Brucknerbund Windhag widmete dem großen Meister diese Tafel. © Irmgard Quass

Nicht selten kam es vor, dass Irmgard Quass als kleines Mädchen vor ihrem Elternhaus in Windhaag bei Freistadt auf Schaulustige traf, die Fotos schossen.

Denn das Gebäude, in dem sie aufgewachsen ist, ist auch jenes, in dem Anton Bruckner einst als „Schulgehülfe“ (1841-1843) gewirkt hat. Und Irmgards Bett stand in dem Raum, der als Klassenzimmer diente. „Ich bin mit Bruckner aufgewachsen“, sagt Quass.

Nun will die Pädagogin (57) Teile des denkmalgeschützten Gemäuers dem großen oö. Komponisten, der in Windhaag erste Kompositionen schuf, und der Heimatforschung widmen. „Windhaag soll den jungen, frischen, begabten Bruckner zeigen.“

Strenger Schulmeister

Als der Windhaager Schulmeister Franz Fuchs einst einen Schulgehilfen anforderte, schickte ihm das Stift St. Florian einen 17 Jahre alten Burschen namens Anton Bruckner auf das „Schulerbergl“, wie das Haus von den Einheimischen genannt wurde. Und der hatte es nicht leicht unter dem Schulmeister: Fuchs ließ den jungen Mann, der direkt aus der Präparandie kam, lieber Federkiele schnitzen als vor die Schüler treten und bezahlte ihn sehr schlecht.

„Der Schulmeister, selbst kinderlos, hatte nicht viel übrig für seine Schüler. Anton Bruckner hingegen liebte Kinder und war vielleicht für seine Zeit als Lehrer zu fortschrittlich. Daran stieß sich der Schulmeister“, erzählt Quass.

Und auch sonst hat Fuchs es dem jungen Lehreranwärter nicht leicht gemacht. Bruckner musste niedere Dienste tun, etwa in der zur Schule gehörenden Landwirtschaft aushelfen. Auch ließ er ihn nicht an seinen Mittagstisch, Bruckner musste mit der Dirn speisen. Und er hinderte ihn mit der vielen Arbeit auch immer wieder daran, dem geliebten Orgelspiel nachzugehen und schickte ihn im Rahmen des Kirchendienstes mit dem Pfarrer „versehen gehen“ (Anm., letzte Ölung).

„Bruckner schrieb später über ein Kopfleiden, das er sich damals bei langen Märschen in der Kälte zugezogen habe“, weiß Quass. Abgesehen davon sollen ihn die Windhaager nicht gern an der Orgel gesehen haben, weil er bei seinen Improvisationen zu wild in die Tasten gegriffen habe: „Der haut uns die Orgel zsamm“, hieß es. Bei seinem Schulmeister „rächte” sich Bruckner, indem er mit ihm immer wieder Scherze trieb.

Ein wenig Freiheit

Zu den Lichtblicken Bruckners in seinem Leben in Windhaag zählte der Kontakt zu Familie Sücka. Der Sohn des Hauses, Franz, war ihm ein guter Freund geworden, gemeinsam geigten sie bei Hochzeiten und im Fasching auf. Frau Sücka nahm sich Bruckners fast wie eines Sohnes an und soll auch die Wäsche für ihn gemacht haben.

„Schön war für Bruckner auch, dass er nach der Zeit im Stift in Windhaag zum ersten Mal ein wenig Freiheit genoss“, so Quass. Dazu gehörten auch Begegnungen mit dem weiblichen Geschlecht. Seine „Windhaager Messe“ widmete Bruckner der Solistin des Windhaager Kirchenchores, der Altistin Anna Maria Jobst.

Bruckner zog es zur Musik und nicht zur Feldarbeit. Nachdem er sein Leid mit der entwürdigenden Arbeitssituation dem St. Florianer Propst Michael Arneth geklagt hatte, wurde er nach Kronstorf versetzt, wo es für ihn „wie im Himmel“ war.

Schon bald nach Bruckners Tod wollte der Freistädter Männer-Gesang-Verein den Komponisten mit einer Gedenktafel würdigen. Doch der neue Besitzer des Hauses – die Schule war in der Zwischenzeit woanders untergebracht worden – hatte kein Interesse daran. Erst Generationen später wurde die Erinnerung an den besonderen Schulgehilfen wieder geweckt.

Und zwar von Irmgard Quass’ Großmutter Maria. Sie und ihr Mann hatten das Haus erworben und die rührige Dame — im Ort wegen ihrer Gabe zu Schreiben „blosfüßiger Notar“ genannt — und später auch ihr Sohn setzten sich dafür ein, Bruckners zu gedenken. In den Fünfzigerjahren fingen Brucknerfreunde an, nach Windhaag zu pilgern und wurden von den Quass’schen freundlich empfangen und mit Geschichten über Bruckner erfreut. Ein Relief und eine Gedenkplatte wurden angebracht.

Irmgard Quass will nicht nur das Erbe des Komponisten, sondern auch das ihrer Familie erhalten, ja sogar ausbauen: Im unteren Teil des Gebäudes, dem Landwirtschaftstrakt, soll ein frei zugänglicher Raum mit Informationen zu Bruckner und seinen Bezügen zur Mühlviertler Gemeinde und dem Leben von damals frei zugänglich sein. Auch die „Windhaager Messe“ wird es zum Nachhören gehen.Die ehemalige Schulmeisterstube soll zum Anton Bruckner Salon werden, der Bruckner- und Heimatforschern für Veranstaltungen zur Verfügung steht und als Leader-Projekt gefördert wird. Es gibt noch viel zu entdecken, und dazu lädt Quass die interessierte Bevölkerung ein.

Von Melanie Wagenhofer

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