Ein Stück mehr Behutsamkeit

Die junge oö. Autorin Sarah Kuratle (32) über ihren ersten Roman „Greta und Yannis"

Sarah Kuratle stellt ihren ersten Roman am 12. Oktober im Linzer Stifterhaus vor.
Sarah Kuratle stellt ihren ersten Roman am 12. Oktober im Linzer Stifterhaus vor. © privat

So bedacht, wie sie formuliert, wenn man mit ihr spricht, tut sie es auch auf dem Papier oder eigentlich noch viel mehr. Denn Sarah Kuratle geht immer und immer wieder über ihre Texte drüber, „bis sie richtig klingen“, wie sie im VOLKSBLATT-Gespräch sagt.

Nun hat die bereits mehrfach ausgezeichnete gebürtige Oberösterreicherin ihr bisher längstes Werk vorgelegt, ihr Romandebüt „Greta und Yannis. Vor acht oder in einhundert Jahren“, und das klingt vielversprechend.

Für den Abschied von ihren Figuren habe sie erst einmal die richtigen Worte finden müssen, ein „Ende für sie suchen“. Schließlich haben sie sie vier Jahre lang, an denen sie am Roman gearbeitet hat, begleitet, sie hat quasi mit ihnen gelebt. Was würde wohl Tante Severina jetzt tun, habe sie sich manchmal in einer realen Situation gefragt. Ihr Roman sei keineswegs biografisch, aber in jede Figur auch etwas von ihr eingeflossen, und wie sie denke, „dass es vielleicht lustig und interessant wäre zu sein“.

Eine Geschichte über eine besondere Liebe

Greta und Yannis, die beiden titelgebenden Figuren, sind Nachbarskinder und schon von klein auf eng befreundet. Als Yannis Greta fragt, ob sie nicht seine Schwester sein möchte, stimmt das Mädchen zu. Später, als Jugendliche, kommen sie sich auch auf andere Weise näher, verlieben sich, um dann festzustellen, dass das nicht sein darf, aus natürlichen, aber auch aus sozialen Gründen.

Kuratle: „Sie erkennen, dass sie auf eine andere Weise schon verbunden sind.“ Die Wege der beiden trennen sich, Yannis zieht in die Stadt und studiert, Greta geht ins entlegenste Dorf, um dort ihrer Großtante Severina bei der Betreuung von ausgesetzten Kindern zu helfen. Die Kinder sind Ausgestoßene, haben keine Rechte. Es steht nur den Erstgeborenen zu, zu lachen, laut aufzutreten — glücklich zu sein.

Texte, die Bilder erzeugen und melodisch sind

Geboren und aufgewachsen in Bad Ischl, hat Kuratle, die derzeit in Vorarlberg lebt, auch viel Zeit ihres Lebens in der Schweiz verbracht, wo ihre Mutter herkommt. „Ich habe immer schon gerne erzählt und beobachtet, mich in andere hineinversetzt, nachgespürt und nachgedacht und daraus Geschichten geschrieben“, erinnert sich Kuratle. In den Jugendjahren — die ersten Texte entstanden im Volksschulalter — seien das meist Geschichten gewesen, die sie nicht zu Ende geschrieben habe, weil ihr „irgendwie noch etwas gefehlt hat.“

Das Fehlende habe sie in der Lyrik gefunden. „Man merkt dem Roman auch an, dass sich von der Sprache her vieles von der Lyrik her entwickelt hat bei mir.“ Kuratle arbeitet stark mit Verdichtung, entwickelt eine ganz eigene Atmosphäre, spielt mit Sprache. „Schon im Volksschulalter habe ich es geliebt, mit Wörtern zu spielen, mir Vokabel rauszusuchen, die ganz schön klingen. Das war alles auch sehr wertvoll für mich.“ Ihre Texte sollen Bilder erzeugen, sehr melodisch sein.

Nach der Matura hat sie in Graz Germanistik und Philosophie studiert und dort erste literarische Kontakte geknüpft. „Ich habe da Anschluss gefunden an die Literaturzeitschrift ,manuskripte‘, zuerst als Zuhörerin und Leserin, später konnte ich dort dann Texte publizieren.“ Kuratle erhielt u. a. 2016 den „manuskripte“-Förderpreis, 2019 das Adalbert-Stifter-Stipendium des Landes Oberösterreich.

„Meine Themen sind die Liebe, das Leben. Ich will mich bewusst nicht einschränken, meine Geschichten sollen zeitlos sein, nehmen aber auch Probleme und Konflikte von heute auf“, sagt Kuratle. „,Greta und Yannis´ ist eine Liebesgeschichte.“

Es gehe darum, wie sich eine Beziehung verändere, welchen Einfluss die Außenwelt auf Gefühle habe, wie frei man sei. Auch das Thema Natur und Naturschutz fließt ein und zwar auf ganz besondere, märchenhafte Weise: Der Steinbock ist aus der Gegend verschwunden, Greta und Yannis möchten ihn wieder ansiedeln. Und plötzlich wachsen Bäumen Hörner und „Wesen machen sich dem Steinbock ähnlich“. Diese ausgestoßenen, „besonders spürigen“ Kinder seien wie Scheinwerfer auf dieses Problem, da gehe es auch darum, wahrnehmbar sein und wahrgenommen werden. „Wenn ich schreibe, versuche ich, Probleme so zu zeigen, dass diese nachvollziehbarer werden für andere“, sagt die Autorin, die bereits an ihrem nächsten Roman arbeitet. „Das ist ein hehres Ziel, aber wenn es das Buch schafft, dass die Leser ein Stück weit behutsamer zurückbleiben — das glaube ich eben, dass das Literatur kann —, und behutsamer mit ihren Mitmenschen umgehen, dann habe ich viel erreicht.“

Von Melanie Wagenhofer

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