Ein tödlicher Generationenkonflikt

Wiener Staatsoper: Premiere von Henzes „Das verratene Meer“

Vera-Lotte Boecker als Fusako Kuroda und Bo Skovhus als Ryuji Tsukazaki in Hans Werner Henzes „Das verratene Meer“
Vera-Lotte Boecker als Fusako Kuroda und Bo Skovhus als Ryuji Tsukazaki in Hans Werner Henzes „Das verratene Meer“ © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Das war nun, wie allseits festgestellt wurde, die erste „echte“ Premiere der Ära Roscic — nichts Aufgewärmtes und nichts Eingekauftes, sondern ein für das Haus ausgewähltes und neu inszeniertes Werk.

So wie sich kürzlich (per Stream, Corona-bedingt) der Ballettdirektor Schläpfer präsentieren durfte, so waren es nun Jossi Wieler und Sergio Morabito, die Roscic gewissermaßen als Chef-Regisseur und Chef-Dramaturg nach Wien geholt hat. Sie haben als „modernes“ Werk „Das verratene Meer“ von Hans Werner Henze (1926–2012) vorgeschlagen und durchgesetzt, die Premiere kam per kostenlosem Stream zu den Opernfreunden in ganz Österreich.

Interessanterweise wirkt die Geschichte (die Oper wurde 1990 uraufgeführt) keineswegs veraltet — andererseits hätte sie inhaltlich vielleicht besser ins Kino als auf eine Opernbühne gepasst.

Denn die Vorlage des japanischen Autors Yukio Mishima erzählt die grausame Geschichte eines Generationenkonflikts, die letal endet — eine Jugendbande bringt einen Seemann um, der sich in ihren Augen des Verrats am Idealismus des Lebens (in seinem Fall verkörpert durch das Meer, dem er untreu werden will) schuldig gemacht hat.

Es ist die Musik, die den Abend trägt

So etwas macht sich auf der Bühne nicht besonders gut, allerdings rechtfertigt Henzes überreiche, teils dramatische, teils illustrierende Musik (in den Zwischenspielen) dann doch die Wahl des Werks. Und Dirigentin Simone Young sorgte dafür, dass sich da alle Qualitäten voll entfalteten und dem Abend, der sicher nicht für ein breites Publikum gedacht ist, seine Berechtigung gab.

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Das Stück hat nur sieben Protagonisten — ein erwachsenes Paar und fünf Jugendliche, die an sich Teenager sein sollen, aber in dieser Inszenierung als aggressive junge Erwachsene auf der Bühne stehen. Vera-Lotte Boecker ist die junge Witwe, die Probleme mit ihrem Sohn hat und mit einem Seemann neues Lebensglück finden will — eine stimmlich und darstellerisch fordernde Partie, die sie eindrucksvoll bewältigt.

Gänzlich überzeugend als gestandener Seemann, der allerdings nicht zum „Helden“ junger Leute taugt, ist Bo Skovhus in Gestalt und kernigem Bariton. Mit wütender Aggression im Tenor singt Josh Lovell den Sohn, der mit seinen Bandenmitgliedern am Ende mörderisch zuschlägt.

Es ist, wie gesagt, die Musik, die diesen Abend trägt. Ob man die Geschichte unbedingt sehen muss, scheint fraglich.

„Das verratene Meer“ wird am 21. Dezember erneut auf play.wiener-staatsoper.at kostenlos gesendet.

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