Eine Geschichte der Eingeschlossenen

Wiener Staatsoper: Freundlicher Applaus für halb-neuen „Eugen Onegin“

Nicole Car (Tatjana) und Bogdan Volkov (Lenski) überzeugten.
Nicole Car (Tatjana) und Bogdan Volkov (Lenski) überzeugten. © Wiener Staatsoper/Michael Pöhn

Wieder hat die Wiener Staatsoper des Bogdan Roscic eine bestehende Opernproduktion gekauft und dem Publikum als Premiere präsentiert. Dabei bietet der „Eugen Onegin“ von 2008 hierzulande die erste Begegnung mit dem russischen Regisseur Dmitri Tcherniakov, dem ein ziemlich „wilder“ Ruf vorauseilt.

Mit dem Werk seines Landsmanns Pjotr Iljitsch Tschaikowski ist er allerdings einigermaßen schonend umgegangen – die Handlung hat zwar einige szenische Variationen erfahren, ist aber fast unbeschädigt davongekommen.

Regisseur setzt auf reduzierte Örtlichkeit

Der Regisseur hat ein Stück, das immer wieder im Freien spielt und auch in den Innenräumen an sich variiert, „eingesperrt“ – der erste und zweite Akt spielen im immer demselben Esszimmer der Gutsbesitzerin Larina, der dritte Akt in dem (wenn auch wesentlich opulenteren) Speiseraum des Fürsten Gremin. Das führt allerdings dazu, dass selbst ein Duell im Zimmer stattfinden muss – wovon man eher schwer zu überzeugen ist …

Grundsätzlich kann man die Idee der „Eingesperrten“ konzeptionell nachvollziehen (wenn auch die Kostüme nicht mehr auf das zaristische Russland verweisen, in dem das Stück ursprünglich spielt): Menschen wie Tatjana, die sich in Eugen Onegin verliebt und für ihre Zeit den ungeheuren Mut beweist, es ihm zu gestehen, waren damals völlig von der Konvention eingeschlossen.

Die Männer hingegen, zumal die Reichen und Mächtigen, waren frei zu tun, was immer sie wollten … Nun, man weiß, dass Tschaikowski seinen Titelhelden (den ursprünglich Alexander Puschkin geschaffen hat) gar nicht besonders mochte – Tatjana hingegen sehr. Darum steht der herzlose Mann am Ende mit leeren Händen da – und auch der Regisseur geht nicht freundlich mit ihm um.

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Dennoch: In Gestalt des romantisch-attraktiven Andrè Schuen bekommt Onegin nicht den scharf-negativen Umriss, den andere Sänger der Figur gegeben haben. Leider wird die Tatjana in Gestalt von Nicole Car auch nicht zu dem zarten Zauberwesen, das in der Gestalt steckt, sondern eher zu einer Trauerweide.

Sehr schön erleidet Bogdan Volkov das tragische Schicksal des Lenski. Tomás Hanus leitete einen musikalisch dramatischen Abend, der es allerdings nicht mit früheren Besetzungen aufnehmen konnte, die man in der Wiener Staatsoper in dieser Oper schon erlebt hat. Ein Skandal blieb diesmal aus, da der Regisseur sich wahrlich zurückgehalten hat. Der ultimative Jubel war es auch nicht. Das Publikum reagierte freundlich – und fragt sich wohl, wann die wirklich „neue“ Handschrift der Direktion endlich zum Vorschein kommt.

Von Renate Wagner

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