„Eine mutige und kluge Stimme“

Schriftsteller Gerhard Roth im Alter von 79 Jahren verstorben

Schriftsteller Gerhard Roth
Schriftsteller Gerhard Roth © APA/Herbert Neubauer

Sein vielstimmiges Werk reicht von den Romanzyklen über Essays bis hin zum Fotobuch: Am Dienstag ist Schriftsteller Gerhard Roth nach langer Krankheit im Alter von 79 Jahren in Graz verstorben.

Geboren wurde Roth ebendort am 24. Juni 1942. Nach dem Willen seines Vaters, einem Arzt, studierte er zunächst Medizin, brach jedoch 1967 ab. Bis 1977 arbeitete er als Programmierer und Organisationsleiter im Grazer Computerrechenzentrum, um neben seiner literarischen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ab den frühen 1970er-Jahren veröffentlichte er experimentelle Prosa (etwa „die autobiographie des albert einstein“) und versuchte sich auch als Theaterautor („Lichtenberg“, „Sehnsucht“, „Dämmerung“).

Vielfältiges Werk

Ein großzügiger Vorschuss des S.Fischer Verlags ermöglichte es Roth schließlich, sich ganz auf die Arbeit am Romanzyklus „Archive des Schweigens“ zu konzentrieren. 1980 erschien hier „Der stille Ozean“. Mittelpunkt des aus den unterschiedlichsten literarischen Gattungen zusammengesetzten Zyklus, in dem Fiktion und (auch fotografische) Dokumentation ineinanderfließen, ist das 1984 erschienene 800-Seiten-Buch „Landläufiger Tod“. 1991 wurde der Zyklus mit „Die Geschichte der Dunkelheit“ und dem Essayband „Eine Reise in das Innere von Wien“ abgeschlossen.

Mit „Der See“, dem Auftaktroman seines Zyklus „Orkus“, sorgte Roth 1995 für Aufregung in den Reihen der FPÖ, die in einem populistischen Politiker, auf den beinahe ein Attentat verübt wird, ihren damaligen Parteiobmann Jörg Haider wiedererkannte. Danach erweiterte Roth mit „Der Plan“ (1998) und „Der Berg“ (2000), „Der Strom“ (2002) und „Das Labyrinth“ (2005) seine Schauplätze um Japan, Griechenland, den Balkan, Ägypten, Wien, Madeira und Madrid. Es folgte der Essayband „Die Stadt“, „Das Alphabet der Zeit“ und schließlich 2011 mit „Orkus. Reise zu den Toten“ ein großer Abschlussband, in dem Figuren und Motive aus beiden Zyklen verwoben, Erfundenes und Gefundenes, Dokumentarisches, Essayistisches und Fiktionales verschmolzen wurden.

In „Portraits“ wurden Essays versammelt, die Roth im Laufe der Zeit über Künstler und Politiker, Kollegen und Zeitgenossen geschrieben hat, im Fotobuch „Im Irrgarten der Bilder“ ist eine Auswahl seiner Fotos der Gugginger Künstler erschienen. 2014 fügte er seinem Oeuvre mit dem Roman „Grundriss eines Rätsels“ ein weiteres gewichtiges Werk hinzu.

2017 begann er mit „Die Irrfahrt des Michael Aldrian“ eine Romantrilogie, die er in „Die Hölle ist leer — die Teufel sind alle hier“ (2019) fortführte. Nach seinem Bildband „Venedig. Ein Spiegelbild der Menschheit“ erschien im Februar 2021 schließlich der dritte Venedig-Roman „Es gibt keinen böseren Engel als die Liebe.“

Filmvorlagen

Roth verfasste auch Drehbücher. Neben Xaver Schwarzenberger und Michael Schottenberg gehörte hierbei nicht zuletzt sein Sohn, der renommierte Filmemacher Thomas Roth, zu den Regisseuren, die aufgrund seiner Vorlagen Filme schufen: „Der Stille Ozean“ (Regie: Schwarzenberger, 1983 mit dem Silbernen Bären der Berlinale gewürdigt), „Das Geheimnis“ (Regie: Schottenberg) aus 1992 oder „Der See“ (Thomas Roth, 1997). 2001 verfilmte Schwarzenberger schließlich den Roman „Ein Hund kam in die Küche“ mit Andrea Eckert, Tobias Moretti und Karl Merkatz.

Roth ist vielfach ausgezeichnet worden, als Krönung wurde er 2016 mit dem Großen Österreichischen Staatspreis geehrt, vor einem Jahr wurde er in den Kunstsenat aufgenommen. Entsprechend groß war am Dienstagabend die Anteilnahme vom Bundespräsidenten abwärts, der den Verstorbenen als „mutige und kluge Stimme“ würdigte.

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