Eine Welt im Umbruch

arte-Stream: Zweiteilige Doku über die globale Revolte 1968

Der „Prager Frühling“, von sowjetischen Panzern niedergewälzt
Der „Prager Frühling“, von sowjetischen Panzern niedergewälzt © dpa

„1968“ war stupider Antiamerikanismus mit antisemitischen Unterströmungen. War Ikonisierung des Massenmörders Mao Zedong und einer hoch ambivalenten Gestalt wie Che Guevara.

War Narzissmus und Anmaßung einer überwiegend männlichen Jugend, die mit selbstgefälligen heroischen Posen die Befreiung der Arbeiterschaft und ausgebeuteter Kontinente propagierte.

Welle des Protestes: „1968“ war überfällig

„1968“ war überfällig. Gegen den „Mief“ der Nachkriegsordnung samt einer unglücklich machenden Sexualmoral. Gegen den albtraumhaften Krieg in Vietnam, über den mehrere US-Regierungen zuhauf gelogen hatten. Gegen Rassismus infolge grausamer Kontinuitäten der seit 100 Jahren abgeschafften Sklaverei. 1968, das waren die emporgereckten Fäuste der afroamerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos, davor das Niedermetzeln von Protestierenden in Mexiko City für „friedliche“ olympische Spiele.

„1968“ war der Höhepunkt von Sex, Drugs und Rock’n’Roll, als deren moralinsaure Opposition sich der kalifornische Gouverneur Ronald Reagan profilierte. Die Hoffnungsträger Martin Luther King und Bobby Kennedy ermordet, die Bürgerrechtsbewegung paralysiert, Richard Nixon zum US-Präsidenten gewählt. 1968 der „Prager Frühling“, von sowjetischen Panzern niedergemäht. In den Jahren nach 1968 menschenverachtende Regime in Lateinamerika und Afrika.

Eine globale Welle, unüberschaubar, jeweils unterschiedlich ausgeprägt. Die Brennpunkte Tokyo, Sao Paulo, Paris, Berlin, Rom, Washington, Berkeley. Der fantastische, knapp 200-minütige Filmessay „1968 — Die globale Revolution“ von Regisseur Don Kent umspannt ein Jahrzehnt von 1965 bis 1975. Erster Teil „Die Welle“, danach „Die Explosion“. Die dunkle Seite, Idealismus kippte in politische Radikalisierung. Andererseits Emanzipation in Umwelt- und Anti-AKW-Bewegungen.

Heute: Schwachsinn in „sozialen“ Medien

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Frauen pochen auf ihr Recht auf Selbstbestimmung, landlose Bauern organisieren sich. Viele Muster von 1968 kehren in veränderter Form wieder. Kritik, die sich 1968 an einer benebelnden Unterhaltungsindustrie rieb, arbeitet sich heute an Bullshit in „sozialen“ Medien ab. Was einst aufklärerischen Gestus hatte — Redefreiheit, kritisches Bewusstsein, Aktionismus — , wird heute auf die Straße getragen, ist politisch diffus, oft antiaufklärerisch. Viel Denkarbeit vonnöten, zu jeder Zeit.

„1968 — Die globale Revolte“ auf arte.tv, kostenlos bis 17. Juli

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