Einer unbarmherzigen Welt ausgeliefert

Regisseur Ken Loachs Sozialdrama „Sorry We Missed You“ zeigt brutal, wie eine Familie an rücksichtsloser Ausbeutung zu zerbrechen droht

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Abby, Ricky, Liza Jane und Seb Turner quetschen sich gemeinsam in einen Lieferwagen, hören Musik, singen, tanzen und brausen durch die Nacht. Gerade saßen sie noch beim Abendessen, als Mutter Abby einen Anruf bekommt. Eine alte Dame braucht Hilfe, niemand außer Abby ist bereit dazu.

Regisseur Ken Loach, unbestrittener, inzwischen 83-jähriger Meister der Sozialdramen, zoomt in „Sorry We Missed You“ direkt hinein in eine Familie im englischen Newcastle und zeigt, wie diese kleine Einheit inmitten eine globalisierten Welt zu zerbrechen droht.

Es ist — wie immer — brutal, wie Loach mit seinem Realismus das den Umständen Ausgeliefertsein seiner Protagonisten zeigt. Ricky beginnt, für einen Lieferdienst zu arbeiten. Dafür muss er sich einen teuren Lieferwagen kaufen, denn er ist selbstständig und eigenverantwortlich. Das bedeutet aber auch, dass er keine Stunde fehlen kann, ohne Ersatz zu besorgen. Und es bedeutet absurderweise, dass er der Willkür der Firma völlig ausgeliefert ist. Immer weiter rutscht er durch die Arbeit in eine Abhängigkeit, muss in jeder Situation zur Verfügung stehen. Abby arbeitet aufopferungsvoll als mobile Pflegekraft, begegnet den Menschen, denen sie hilft, mit Respekt und Liebe. Doch ihr enger Zeitplan lässt kaum zu, dass sie ihnen das gibt, was sie brauchen.

Keine Arbeit bedeutet das totale Elend

Es ist ein schmerzhafter Abwärtsstrudel, der die Turners mit sich reißt und aus dem sich keiner freischwimmen kann. Den Eltern fehlt die Zeit für ihre Kinder, sie entgleiten ihnen. Das so hart verdiente Geld reicht kaum für das Nötigste; kein Auto bedeutet keine Arbeit, keine Arbeit das totale Elend. Ein Zahn greift in Loachs Film — und man zweifelt keine Sekunde daran, dass es auch in der Realität keinen Deut besser ist — unbarmherzig in den nächsten und reißt das schwarze Loch, in dem alle zu ertrinken drohen, immer weiter auf.

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Trotz der brutalen Deutlichkeit, mit der Loach die Ausweglosigkeit der vier Leben zeichnet, schafft er es, dazwischen wunderbare Momente zu schaffen, in denen die Familie für einen Moment wie aus dem Bilderbuch, das man ihnen so gönnen würde, erscheint. Wie schon in den vielen Filmen vor „Sorry We Missed You“ hat der britische Regisseur auch immer Platz für wunderbare Menschen, die einander trotz eigener Not beistehen. So auch hier — und dann erträgt man den beinharten Untergang und die rücksichtslose Ausbeutung noch schwerer.

Ab sofort im Kino.

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