Elektro, Mariachi, Blues & Polka

Abenteuerlich: Hubert von Goiserns Album „Zeiten & Zeichen“

Hubert von Goiserns neues Album „Zeiten & Zeichen“ ist gewohnt kompromisslos und äußerst vielfältig.
Hubert von Goiserns neues Album „Zeiten & Zeichen“ ist gewohnt kompromisslos und äußerst vielfältig. © Sony

Zu sehen eine Industrieruine, darauf fein gezeichnete Graffiti (Photoshop?). Vor der wilden Tristesse steht der Hubert, mehr ein verschwommener Schatten. Lässige Pose, tanz’ den Mussolini! Im Song „Elektro“ – mit Stimmverzerrer, die funkige Gitarre erinnert an den 70er-Discokracher „Born To Be Alive“ – versichert Hubert von Goisern allerdings: „Ich will nicht tanzen!“

Für die Arbeit an seinem ersten Roman „flüchtig“ hat Hubert Achleitner, wie Goisern bürgerlich heißt, daheim sämtliche Instrumente weggeräumt. Danach „putzte, besaitete, befingerte und küsste ich sie wieder wach“.

Die Musik seine „Geliebte“, schreibt Goisern im Booklet, ihr huldigt er wieder im jüngsten Album „Zeiten & Zeichen“. Gewohnt kompromisslos, Goiserns Vielfalt und Offenheit immer wieder gewöhnungsbedürftig, mitunter auch eine Mühsal.

Freigeistiger, gewollt sperriger Einstieg

Die ersten drei Songs, zusammen zwanzig Minuten, ein musikalisch freigeistiger, gewollt sperriger Einstieg. Die Eröffnungsnummer „Freunde“ ein Sprechgesang, der an das Schicksal des in Auschwitz ermordeten Fritz Löhner-Beda erinnert. Der war Librettist des „Franzl Lehár“ – im entscheidenden Moment stand der „Hosenscheißer“ Lehár dem Freund nicht zur Seite. Aber wer wollte, fragt Goisern selbstkritisch, den ersten Stein werfen?

Keine leichte Kost, als bände Goisern den Hörer am Sessel fest: Huach zua! In die pädagogische Strenge fügt sich das teutonisch gerollte Rrrr in „Brauner Reiter“, Goisern unterwegs auf Rammstein-Pfaden. Davor in getriebenem Bass das Lied „Sünder“, angelehnt an Nina Simones „Sinnerman“. Textlich geißelt Goisern die Sündenbock-Mentalität, der St. Florianer Kinderchor „Pappalatur“ repetiert Goiserns/Simones berühmten Ruf „Power!“. Ist die braune Soße, die bis in die Gegenwart tröpfelt, erst einmal besungen, widmet sich Goisern auch den zarten und heiteren Seiten des Lebens. „Eiweiß“ ein Mäandern zwischen Kinderreim und Dada, dazu vergnügen sich Mariachi-Trompeten und hiesige Quetschn. Die Liebe eine Macht, die den Tod überdauert, federleicht und schwer das Lied „Dunkelrot“. Ist das noch Poesie oder schon Kitsch? Ein wenig wie Nick Cave klingt Goisern im naturgemäß melancholischen „Novemberpferde“, die „White Horses“, diesfalls die „weißen, träumenden Pferde“, ein unkaputtbares Pop-Thema.

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Polka („Quick Quick Slow“) und Blues („Dunkelblau“), ein „Jodler für Willi“, den heuer verstorbenen Naturforscher Wilhelm Foissner, der den Einzeller Rigidotrix Goiseri benannte.

Wo ist der quirlige Hubert beheimatet? In Bad Goisern und im ganzen Rest der Welt. So richtig Hitparadentaugliches enthält „Zeiten & Zeichen“ nicht, doch erquickt die abenteuerliche Reise mit dem Musikforscher HvG.

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