„Er war der Don Camillo von Steyr“

Linzer Kulturverein Etty spielt „Widerstand und Auftrag“ über den Steyrer Pater Josef Meindl

„Meindl wollte wie Jesus für die Unterdrückten und Verfolgten da sein“: Regisseur Johannes Neuhauser
„Meindl wollte wie Jesus für die Unterdrückten und Verfolgten da sein“: Regisseur Johannes Neuhauser © Volker Weihbold

Der Linzer Kulturverein Etty spielt „Widerstand und Auftrag. Seelsorger Pater Josef Meindl“. Eine bemerkenswerte Biografie über einen Geistlichen im Widerstand gegen die NS-Monstrosität.

Hilfreich für diese szenische Lesung mit Einsprengseln von Bob Dylans „Bibelphase“ ab 1979 war die Meindl-Biografie von Josef Ramsauer, der auch das Projekt „Kirche und Landesausstellung“ in Steyr leitet. Premiere von „Widerstand und Auftrag“ ist am Sonntag, um 18 Uhr im Bildungshaus Puchberg bei Wels. Das VOLKSBLATT sprach mit Regisseur Johannes Neuhauser.

VOLKSBLATT: Die römisch-katholische Kirche – höflich ausgedrückt – arrangierte sich taktisch mit den Nazis. Einzelne Christen und Geistliche wagten stillen, ganz selten öffentlichen Widerstand. Wo in diesem Gefüge steht Josef Meindl?

JOHANNES NEUHAUSER: Pater Meindl gebührt ein Platz in der Nähe von Franz Jägerstätter und Johann Gruber. Im Gegensatz zu den beiden hatte er jedoch das Glück den Nazi-Terror zu überleben.

Was tat Meindl unter den Nazis, welchen Gefahren setzte er sich aus?

Pater Meindl führte auf Wunsch der Arbeiterfamilien geheime Taufen und Trauungen durch. Die Machthaber wollten ja unbedingt die nationalsozialistische Namensgebungsfeier und die standesamtliche Hochzeit durchsetzen. In der Wohnung sollte eine Lebensrune anstatt eines Kreuzes hängen. „Heil Hitler“ anstatt „Vater unser“. In den Jahren 1938 bis 1945 gab es eine Art „nationalsozialistische Christenverfolgung“. Als Lager-Seelsorger vermittelte Pater Meindl den Zwangsarbeiterinnen in vielen Gesprächen, dass sie eine unumstößliche Menschenwürde besitzen, auch wenn die Nazis sie als Arbeitssklaven missbrauchen.

Mitten im Grauen bewahrte sich Meindl einen Rest Humor.

Auf Wunsch von gläubigen KZ-Gefangenen wurden über Mittelsmänner Hostien in die mit Stacheldraht umzäunten Baracken geschmuggelt. Pater Meindl nannte dies humorvoll „die Semmelmethode“. Wollten Zwangsarbeiter fliehen, legte Pater Meindl Kleidungsstücke und Proviant in einem Versteck bereit. Pater Meindl notierte in der Pfarrchronik die Vorkommnisse und Kriegsverbrechen in Steyr sehr genau. Historiker dienen sie bis heute als wichtige Quelle. Pater Meindl wurde zweimal von der Gestapo vorgeladen und verhört. Hätten die Nazis herausgefunden was Pater Meindl alles tat, hätte ihm Verhaftung und Konzentrationslager gedroht.

Was haben Sie herausgefunden über die Motive Meindls, sich diesen Gefahren auszusetzen?

Als Seelsorger wollte er immer ganz nah bei den Menschen sein. Er gehörte dem Orden der Jesuiten an und wollte wie Jesus für die Unterdrückten und Verfolgten da sein. Im Stück zitieren wir aus Bob Dylans aufrüttelnden Rocksong „Are You Ready“: „Bist Du bereit dich für Jesus einzusetzen? Bist Du wirklich bereit?“

Wer ist Josef Meindl, welches Bild haben Sie von ihm?

Als Psychotherapeut ahne ich, wie sehr ihn der frühe Tod seiner zutiefst gläubigen Mutter geprägt hat. Er war gerade erst 13 Jahre alt. Ab diesem Zeitpunkt wollte er Seelsorger werden. Er wechselte ins Petrinum in Urfahr, das damals auch „Priesterschmiede“ genannt wurde. Mich fasziniert an ihm, dass er sich und seiner Vision von einer geschwisterlichen Welt über 60 Jahre treu geblieben ist. Wo gibt es heute noch Menschen, die sich selbst ein Leben lang treu bleiben, koste es, was es wolle?

Meindl war lange Zeit in Steyr fast vergessen. Der Lauf der Zeit oder ein Vergessen-wollen?

Ersteres – der Lauf der Zeit. Man vergisst fast immer die Guten und merkt sich die Schlechten. Der mörderische Gauleiter Eigruber stammte zum Beispiel aus Steyr. Oder, jeder kennt die Taliban, aber kaum jemand die junge Friedensnobelpreisträgerin Mala Yousafazai. Sie setzte sich für die Frauenrechte ein, deshalb schossen ihr die Taliban in den Kopf, aber sie überlebte!

Im Widerstand stieß Pater Meindl auf seine Grenzen.

Wir können uns kaum vorstellen, wie anstrengend und gefährlich sein Einsatz für Arbeiterfamilien, KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiterinnen in den sieben Kriegsjahren 1938 bis 1945 war. Gleich nach der Befreiung baute er in nur eineinhalb Jahren die Pfarre Christkönig und die dazugehörende Kirche auf. Mich berührt sehr, wie offen er damals über sein Burnout schrieb: „Meine Kräfte neigen sich bedenklich zu Ende. Dauernd Kopfweh, Gedächtnisschwund, Schlaflosigkeit, Zittrigkeit, Entschlussunfähigkeit. Meine Predigten kann ich nur mehr vom Blatt ablesen, oft muss ich sogar dabei weinen. Ich schäme mich vor den Messbesuchern und merke auch, dass ich ihnen leid tue.“

Wie ging es mit Meindl weiter?

Nach einer längeren Erholungsphase baute er die beiden Arbeiterpfarren Lenzing (Papierfabrik, Anm.) und Riedersbach (Kohlebergwerk) auf. Danach wirkte er in Kärnten und in Innsbruck. Gesundheitsbedingt kam er als Lateinprofessor ans Aloisanum auf dem Linzer Freinberg. Schüler beschrieben ihn als äußerst gütigen Lehrer, der gerne Geschichten erzählte um den Unterricht aufzulockern. Seine letzten zehn Lebensjahre wirkte er als vielgeschätzter spiritueller Ratgeber am Grazer Dom. Unglaublich, wieviel ein Mensch für andere Menschen leisten kann! Wir zitieren im Stück an dieser Stelle Bob Dylans Song: „What Can I Do for You?“: „Du hast mir alles gegeben – Was kann ich für Dich tun. Du gabst mir Augen zu sehen – Was kann ich für Dich tun?“

Meindl war das Gegenteil eines Ideologen?

Im Stück schildern wir die intensiven Begegnungen zwischen Pater Meindl und dem kommunistischen Bürgermeister von Steyr-Ost. Der Kommunist Kahlig half dem Jesuiten Meindl sogar, eine geeignete Baracke als Behelfskirche zu finden und sagte wortwörtlich: „Nein, Religion ist nicht das Letzte. Herr Pfarrer, Sie sollen die Glaserer-Baracke haben. Das bekommen Sie jetzt schriftlich.“ Meindl wohnte im kleinen Nebenraum der Kirchenbaracke. Es gab kein fließendes Wasser und statt Fensterglas Pappe. Als der Kommunist Kahlig ihn einmal besuchte, rief er erstaunt aus: „Was Herr Pfarrer, hier wohnen Sie? Das ist doch viel zu bescheiden!“ Pater Meindl wollte an der Seite der ausgebombten Bevölkerung von Münichholz stehen und nicht in einem schön geheizten Pfarrhof in der Stadt Steyr residieren. Er war sozusagen der Don Camillo von Steyr.

Wie lief die Umsetzung von der Meindl-Biographie in ein Theaterstück?

Wie immer: Viel Transpiration und ein guter Schuss Inspiration. Also viel Schweiß und zum Glück küsst einen manchmal die Muse. In unserer szenischen Lesung verkörpert die langjährige Landestheater-Schauspielerin Bettina Buchholz den Jesuiten und Priester. Ich besetze gerne Frauen in sogenannten Hosenrollen. Frauen können die Vielschichtigkeit einer männlichen Person oft besser zum Vorschein bringen. Zudem nehmen wir sozusagen etwas vorweg, das auch einmal in der katholischen Kirche kommen wird: Frauen als Priesterinnen.

Pater Meindl hatte auch konkrete weibliche Unterstützung.

Ja, von einer Ordensschwester. Nach der Befreiung war Steyr eine geteilte Stadt. Auf der einen Seite der Enns standen die Amerikaner und drüben die Russen. Damit Schwester Bertholda zu den Kindern in den russischen Sektor gelangen konnte, borgte sie sich von den Amerikanern ein Schlauchboot und ruderte mit wehendem Schwesternschleier über die Enns zu den Russen rüber. Das war nicht ungefährlich. Bob Dylan schrieb über solche Frauen den berührenden Song „Precious Angel“: Kostbarer Engel.

Mit JOHANNES NEUHAUSER sprach Christian Pichler

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