„Erfahrungsmäßig fühle ich mich wie ein alter Hase“

Marie-Luise Stockinger (29) über frühzeitiges Vergreisen, „Grant“ und ihre Rolle in einer neuen ORF-Komödie

Schon längst kein Shootingstar mehr, sondern ein Fixstern am heimischen Theaterhimmel, der jetzt auch die Bildschirme erobert:Marie-Luise Stockinger. © Marlene Rosenthal

Marie-Luise Stockinger aus St. Florian hat als fixes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater schon eine beachtliche Bühnenkarriere hingelegt. In der ORF-Stadtkomödie „Man kann nicht alles haben“ spielt die 29-Jährige jetzt die Tochter einer Anwältin (Aglaya Szyskowitz), die einen viel älteren Mann (Fritz Karl) heiraten möchte …

VOLKSBLATT: Der Erfolg hat sich bei Ihnen schon in sehr jungen Jahren eingestellt. Wie hat Sie das verändert?

MARIE-LUISE STOCKINGER: Das war kontinuierlich. Ich hatte das Gefühl, immer wieder etwas dazuzulernen und spannende Aufgaben zu kriegen. Deshalb war das ziemlich nachhaltig und ist mir nicht zu Kopf gestiegen, es war ein Lernprozess. Und dadurch, dass ich die ganze Zeit am Burgtheater war, hatte ich auch einen sehr geschützten und begleiteten Rahmen. Ich habe das Gefühl, ich bin als Persönlichkeit gereift und weiß jetzt viel eher, was ich will und was nicht und wie ich ökonomisch umgehe mit verschiedenen Situationen. Ich bin ein bisschen ruhiger geworden und lasse mich nicht mehr so schnell aus der Bahn bringen.

Ich habe mit 18 zu studieren angefangen, mit 21, 22 war ich dann am Burgtheater, bin quasi frühzeitig gealtert, dadurch, dass die Aufgaben früh schon recht groß waren. Bei uns gibt es die Prämisse von meinem Vater, bis man 27 ist, wird das Studium finanziert und dann muss man sich selber finanzieren. Ich habe mich schon mit 21 selber finanziert und dadurch bin ich auch schon ein bisschen frühzeitig vergreist.

Wie sind Sie zur Schauspielerei gekommen und was waren Ihre ersten Bühnenerfahrungen?

Die erste Bühnenerfahrung war im Kindergarten beim Krippenspiel. Ich war eifersüchtig, weil meine Schwester einen Engel spielen durfte und ich war so ein doofes Schaf mit Lammfell. Später habe ich im Gymnasium Schultheater gemacht, aber ich war keine große Theatergängerin. Ich fand Fernsehen interessanter.

Wie hat Ihre Familie zu Beginn Ihren Berufswunsch gesehen?

Dadurch, dass er sehr kurzfristig formuliert war — „Ich geh´ zu dieser Aufnahmeprüfung“ —, ist jeder davon ausgegangen, dass es sowieso nicht klappt. Es war eine ziemliche Überraschung, als ich dann aufgenommen wurde und gesagt habe: „Ich studier´ in zwei Monaten Schauspiel in Wien.“ Ich glaube, meine Familie hat ziemlich lange mit mir mitgefiebert und Zweifel gehabt. Mein Bruder meinte erst neulich bei meiner letzten Premiere: „Boah, das war das erste Mal, dass ich keine Angst hatte, dass du den Text vergisst. Du bist ja wirklich eine Schauspielerin!“ Dabei mache ich das jetzt schon seit vielen Jahren.

Kommt Ihre Familie immer zu Ihren Premieren?

Mit Corona ist es etwas weniger geworden, aber natürlich kommen sie. Obwohl mittlerweile auch schon gefragt wird: „Zahlt es sich aus?“ Die sind auch schon ein bisschen verwöhnt.

Meine Schwester hat alles gesehen, während meines Studiums haben wir auch zusammengewohnt. Die ist nicht so eine Theatergeherin, aber sie schaut sich alles an und ist da kritisch. Das finde ich wichtig, das brauche ich auch und zwar ungeschönt.

Sie sind seit 2015 fixes Ensemblemitglied am Burgtheater, waren lange die Jüngste. Zählen Sie sich jetzt zu den alten Hasen oder gelten Sie noch als junges Gemüse?

Dadurch, dass ich auch in der neuen Intendanz von Martin Kusej bin, also ein Überbleibsel von den Jungen, die einzige unter 30, die auch im neuen Ensemble wieder ist, fühle ich mich erfahrungsmäßig natürlich wie ein alter Hase. Und ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste …

Wie würden Sie Ihre Rolle in „Man kann nicht alles haben“ beschreiben?

Für mich war der Reiz die Mutter-Tochter-Beziehung, die ich am spannendsten fand. Das kennt jede Tochter, dass irgendwann einmal im Leben so ein Emanzipationsakt von der Mutter anstrengend und nervenaufreibend sein kann.

Wie haben sich die Oberösterreicher, also Sie und Fritz Karl, am Set verstanden?

Herrlich, ich habe ja schon einiges mit ihm gedreht. In „Maria Theresia“ war er mein Vater. Wir verstehen uns wahnsinnig gut.

Könnten Sie sich vorstellen, wie Ihre Filmfigur einen deutlich älteren Partner zu haben?

Ja, das kann ich mir absolut vorstellen. Dadurch, dass ich am Theater sozialisiert bin, sind meine Freunde und Freundinnen, Kolleginnen und Kollegen ja alle immer wesentlich älter als ich. Ich finde es total schön, in so einen Rahmen zu kommen, wo man neben einem Martin Schwab steht oder neben einem Ignaz Kirchner gestanden hat, und ein freundschaftliches Verhältnis zu denen zu haben.

Haben Sie von sich persönlich etwas in die Figur einbringen können?

Mein Vater würde wahrscheinlich sagen: „Ja, deinen Grant.“ (lacht) Ich hab auch beim Dreh Ideen einbringen können, das ist ja immer Ensemblearbeit — am Set wie am Theater. Mittlerweile ist die Mitsprache auch gewollt bzw. ein wichtiger Teil.

Das war Ihre erste Komödie. Was sind deren spezielle Herausforderungen?

Eine Komödie entsteht nicht von selber, das heißt proben, um das lustig zu kriegen. Timing, Rhythmus, Aktion, Reaktion müssen stimmen. Man hat ein Handwerk und darauf kann man zurückgreifen.

Welche Bedeutung haben Film und Fernsehen für Sie?

Ich bin privat eine Cineastin und schaue wahnsinnig gern Filme und Serien. Das hätte man sich früher gar nicht vorstellen können, wie sehr sie unseren Alltag auch bevölkern und zu Gesprächsstoff werden. Das ist noch mehr geworden durch die Pandemie. Ich lese auch wahnsinnig gerne. Beruflich wird es auch immer interessanter und größer, weil ich schon sehr viel Theater gemacht habe. Die Rollen müssen spannend sein, Wunschliste hab´ ich da keine.

Sie hegen große Bewunderung für Romy Schneider. Warum ist sie ein Vorbild für Sie?

Ich glaub´, weil mein Vater immer so ein großer Romy Schneider-Fan war. Ich bin als Kind nicht mit Sisi aufgewachsen, sondern mit Chabrol-Filmen und mit ihrem ganzen französischen Kino. Die Filme hat sich mein Vater immer angeschaut. Romy Schneider ist für viele Schauspielerinnen ein Vorbild, weil die einfach so ein Wagnis eingegangen ist mit dem Umzug nach Frankreich, und dann natürlich auch eine tragische Figur geworden ist und eine Schauspielerin, die sich sehr verletzlich vor der Kamera gemacht hat.

Wie finden Sie neben Ihrem Beruf Ausgleich?

Wandern und Lesen ist mein Ausgleich — sehr österreichisch.

Sie sind in St. Florian aufgewachsen. Was haben Sie vom Landleben mitgenommen, kommen Sie regelmäßig nach Hause?

Meine Eltern wohnen ja mittlerweile in Linz, aber ich habe ja wahnsinnig viel oberösterreichische Verwandtschaft, ich bin sicher einmal im Monat zuhause.

Ich bin halt auf einem Vierkanthof aufgewachsen, ich bin ein Landkind. Ich glaube, meine ganze Kindheit hat draußen stattgefunden, in Wald und Feld und im Garten. Ich merke, dass ich in der Stadt immer so eine Unruhe habe, dass es mich immer rauszieht in die Natur.

Stimmt es, dass Sie anfangs Ihre Texte Bäumen vorgetragen haben?

Das klingt immer so romantisch, aber es gab keine andere Möglichkeit. Wenn ich aus meinem Kinderzimmer rausgegangen bin, war da halt der Wald. Das war eine pragmatische Lösung.

Was wird Ihre nächste Rolle am Burgtheater sein?

Mein nächstes Stück ist am Akademietheater „Am Ende Licht“ unter der Regie von Julia Ruprecht. Die nächsten Filmprojekte gibt es auch schon, die kann ich aber noch nicht verraten.

Mit MARIE-LUISE STOCKINGER sprach Melanie Wagenhofer

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