„Es braucht eine neue Fehlerkultur“

OÖ Versicherung-Chef Nagl nach Wechsel an der Spitze über Änderungen, Risiken und Aussichten

Seit Beginn des Jahres an der Spitze der OÖ Versicherung: Othmar Nagl © OÖ Versicherung

Mit Jahresende 2020 ging die Ära von Josef Stockinger als Generaldirektor bei der OÖ Versicherung zu Ende.

Mit Othmar Nagl folgte ihm sein bisheriger Stellvertreter nach, der selbst seit 2008 schon im Vorstand vertreten war. Im Interview spricht er über eine neue Kultur, die Risikoabsicherung und das Festhalten an Lebensversicherungen.

VOLKSBLATT: Sie übernehmen den Posten des Generaldirektors in einer denkbar ungünstigen Zeit. Man hätte es wohl leichter haben können.

NAGL: Es erinnert mich an die Zeit, als ich 2008 in den Vorstand eingezogen bin. Damals kam die Finanzkrise, nun haben wir die Corona-Krise. Es ist fast ein Deja-vu.

Sind die Zeiten vergleichbar?

In den Auswirkungen nicht, damals traf es die Finanz- und Kapitalmärkte hart. Diesmal trifft es die Realwirtschaft besonders.

Die Zeiten verändern sich. Auch bei der OÖ Versicherung. Sie haben den langjährigen Generaldirektor Josef Stockinger abgelöst, erstmals zieht mit Kathrin Kühtreiber-Leitner eine Frau in den Vorstand ein.

Es ist schon eine Zäsur im Haus. Uns ist es wichtig, die Belegschaft entsprechend dabei mitzunehmen. Unser Haus besteht im Vertrauen an die Mitarbeiter. Alles, was wir an Versprechen ausloben können, müssen die Menschen, unsere Mitarbeiter, vermitteln und umsetzen. Wir glauben in erster Linie an die Mitarbeiter – und dann daran, dass diese die Versprechen halten. Daher ist es uns wichtig, dass wir alle an einem Strang ziehen.

Funktioniert das?

Davon bin ich überzeugt, wir haben eine tolle Belegschaft. Das zeigt sich auch daran, dass die Fluktuation bei uns recht gering ist. Wir kommen aus einer Familienkultur, die wird auch nicht verloren gehen.

Aber wird es eine neue Richtung geben?

In einer Familienkultur passt man aufeinander auf, das bleibt weiterhin sehr wichtig. Aber wir müssen auch an der Fehlerkultur arbeiten. Man soll Fehler nicht immer zudecken, man soll aus ihnen lernen und sich weiterentwickeln.

Was wären hier Punkte, an denen man ansetzen kann?

Es geht vor allem darum, das ganze Haus als Team zu sehen. Es soll nicht in Bereichen und Abteilungen gedacht werden. Es soll keine Grenzen geben, der Informationsfluss muss bei allen da sein.

Mehr Zusammenhalt, Gemeinschaftlichkeit als Ziel?

Man braucht unterschiedliche Abteilungen und Bereiche. Es braucht aber keine gegenseitigen Abgrenzungen. Ein positives Ergebnis wird immer als Ganzes wertgeschätzt. Dafür braucht man keine Stars hervorheben. Das wollen wir vermitteln.

Es wurde im Unternehmen trotz der Krise Kurzarbeit vermieden, ein wichtiges Zeichen für Sie?

Es war uns wichtig zu betonen, dass sich niemand um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen muss. Wir haben bewusst keine Kurzarbeit in Anspruch genommen. Schon im März war uns klar, dass wir im Jahr 2020 keinen Verlust schreiben werden. Es wäre als Unternehmen, das Gewinne schreibt, unfair, staatliche Unterstützung anzunehmen. Da hätte ich ein schlechtes Gewissen Unternehmen gegenüber, die wirklich Hilfe brauchen.

Beim Ausblick des vergangenen Jahres hat es geheißen, die schwierigen Jahre kommen erst. Warum?

Aktuell gibt es noch viele staatliche Unterstützungsmaßnahmen, die viele negative Entwicklungen hintanhalten. Sowohl bei Privaten als auch bei Unternehmen. Es wird wohl zu Prämienausfällen kommen.

Sieht man große Risiken?

Von unserer Kundenstruktur her glaube ich das nicht. Wissen wird man es aber erst, wenn die Wirtschaft wieder auf eigenen Füßen stehen muss.

Man ist aber auf Ausfälle vorbereitet?

Wir bilanzieren immer sehr vorsichtig. Wir haben eine Eigentümerstruktur, die es uns erlaubt, die erwirtschafteten Gewinne in Eigenkapital umzuwandeln. Hier sind wir gut aufgestellt.

Gute Voraussetzungen also, wo soll der Weg hingehen?

Schwerpunkte werden in der Digitalisierung gesetzt. Die Kundenkommunikation soll in diesem Bereich weitergetrieben werden. Der Kunde soll einfach zu Informationen kommen, sich aber auch aussuchen, wie er zu den Informationen kommt.

Im Vorjahr hat die Allianz Versicherung angekündigt, keine Garantien bei Lebensversicherungen auf die einbezahlten Beträge mehr zu geben und auch bei Rentenverträgen andere Maßstäbe setzen zu wollen. Ist das auch für Sie ein gangbarer Weg?

Wir stehen nach wie vor zur klassischen Lebensversicherung im Sinne von garantierten Zinsen. Die Gesamtverzinsung steht bei uns noch immer bei 2,25 Prozent. Wir nehmen schon seit Jahren keine Lebensversicherungen gegen Einmalerlag der Prämie mehr an, aber auf Basis von laufenden Prämien immer noch. Auch Rentenversicherungen haben immer noch eine Zukunft. Bei Langlebigkeit gibt es keine bessere Anlage.

Mit OÖ Versicherung- Generaldirektor OTHMAR NAGL sprach Christoph Steiner

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