Es ist Verlass auf Nestroy und das Ensemble

„Liebesgeschichten & Heiratssachen“ unterhaltsam, doch zahnlos am Landestheater

Cecilia Pérez und die fabelhaften Musiker
Cecilia Pérez und die fabelhaften Musiker © Petra Moser

Es roch nach Sommer am Samstag in Linz. Was dem einen da der Gastgarten, ist dem anderen das Sommertheater. Häufig mit Molière, Goldoni, Nestroy.

Und so geschah es auch an diesem 21. Mai am Landestheater Linz, wo nach krankheitsbedingten Verschiebung ein absoluter Klassiker der österreichischen Theaterliteratur auf dem Programm stand: Johann Nepomuk Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“.

Inszeniert hat die Gassenhauer-Posse mit Gesang der aus Graz stammende Regisseur Dominique Schnizer, auf der Bühne Scharen an Personal, darunter viel Jugend des Ensembles. Ansonsten bleibt das Moderne hauptsächlich den hervorragenden Liedtexten von Poetry-Slammerin Sarah Anna Fernbach vorbehalten. Optisch verzichtet Schnizer weitgehend auf Bezüge ins Heute, ein bisschen Überdrehtheit in den Kostümen (Christin Treunert), vor allem die Damen bekommen viele Rüschen und Trara. Sprachlich erfreuen sich die Darsteller an breitesten Dialekt-Varianten, im nestroyschen Wienerisch brilliert Christian Higer als ebenso ungehobelter wie neureicher Florian Fett, einst Fleischselcher. Higer zieht hier recht unterhaltsam sogar an Edmund „Mundl“ Sackbauer vorbei.

Die falschen Liebesschwüre einer lauen Nacht

Worum geht’s? Tinder-Schwindler, der Begriff fällt im Stück, Heiratsschwindler hat man sie einst genannt. Ghupft wie ghatscht: ein genau solch falscher Liebesflüsterer ist Nebel, den in Linz Jan Nikolaus Cerha überzeugend und mit einer wahren Textflut gibt. Er hat nichts, will aber viel und das leicht. Ob es leicht wird, mit Lucia Distel (Eva-Maria Aichner), der ledigen, aber reichen Schwägerin des oben genannten Fett, verheiratet zu sein, sei dahingestellt. Aber eben dies ist der Plan des jungen Mannes. Anton Buchner (Jakob Kajetan Hofbauer) ist ebenfalls auf der Suche nach der großen Kohle und will Fetts Tochter Fanny (Lorena Emmi Mayer) ehelichen. Völlig verrückt ist Alfred Vincelli (Benedikt Steiner), Sohn des dem alten Adel angehörenden Marchese Vincelli (Horst Heiss), nach Ulrike Holm (Cecilia Pérez), auch irgendwie mit Fett verwandt. Dann kommen viele Verwechslungen, Betrügereien, komischste Sein-und-Schein-Geschichten. Ob sich am Ende alles zum Guten wendet, ist, wie immer bei Nestroy, so eine Sache und jedem selbst überlassen.

Festlegen tut sich Schnizer hier ganz dezent, wie er sich bei seiner Inszenierung mit Deutung und Auslegung ohnehin zurückhält. Auch zeigt er keine Angst vor schon oft gezeigten Bildern, die einen Geschmack von altbacken zurücklassen. Will man das positiv sehen, dann wird dem Autor viel Raum gegeben und das tragen Nestroys Texte natürlich allemal. Gepaart mit einem überaus spielfreudigen Ensemble (u. auch mit Julian Sigl und Katharina Hofmann) — die Damen haben die Nase hier meist ein bisschen vorn und dürfen auch immer wieder äußerst unterhaltsam „auszucken“ — ist ein guter Teil für unterhaltsames Theater geschafft. Auf der Habenseite auch die optische einnehmende Bühne (ebenfalls Christin Treunert) und die Musik! Vier Musiker auf der Bühne, überaus stimmig in die Handlung eingebaut und unter der Leitung von Bandleader Joachim Werner perfekt in Szene gesetzt. Jedes Auftauchen der Vier ist eine Freude.

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Leider sind die Texte von Fernbach — da geht’s irre rasant und intelligent zu: von Laptops in Kinderwägen über grausame alltägliche Armut der einen und Mondfantasien der ganz anderen, bis zu geschredderten Akten und Küken — fürs Publikum zu vergänglich. Sie würden diese doch recht zahnlosen „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ nachhaltiger in die Köpfe hämmern, als man das den Flüstereien einer lauen Sommernacht zutrauen würde.

Von Mariella Moshammer

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