EU-Gipfel zu Corona-Wiederaufbauplan ohne Einigung zu Ende

Ein EU-Gipfel Mitte Juli in Brüssel, an dem die Staats- und Regierungschefs wieder physisch teilnehmen, soll einen Durchbruch im Ringen um den 750 Milliarden Euro schweren Corona-Aufbaufonds bringen. EU-Ratspräsident Charles Michel sagte nach dem Videogipfel am Freitag, es gebe einen „aufkommenden Konsens“, man dürfe aber auch die Differenzen nicht unterschätzen.

„Jetzt gehen wir in eine neue Phase“, so Michel. Nunmehr würden die Verhandlungen über den Wiederaufbauplan und das EU-Budget bis 2027 intensiviert.

Es gebe die Bereitschaft aller, sich zu engagieren. Vor dem beabsichtigten Gipfel im Juli will Michel neue konkrete Vorschläge vorlegen, kündigte er an. Seit Ausbruch der Coronakrise im Februar tagen die EU-Staats- und Regierungschefs im Videomodus.

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Der Vorschlag der EU-Kommission für einen 750 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds und für ein 1,1 Billionen schweres EU-Budget ist umstritten. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark beharrten bisher darauf, dass die Hilfen vor allem als Kredite und nicht als Zuschüsse fließen.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht nach dem EU-Videogipfel „noch viel Diskussionsbedarf“. Die Debatte am Freitag sei „der Startpunkt für lange Verhandlungen“, so Kurz nach der Videokonferenz. Der Kanzler forderte, dass die EU-Hilfen vor allem in Zukunftsbereiche wie Digitalisierung oder Ökologisierung investiert werden. Die Bereitstellung der Mittel sollte von Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit abhängig gemacht werden. „Auch das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ist von großer Bedeutung für uns“, so Kurz weiter.

„Es braucht zudem Investitionen in die Forschung an Impfstoffen oder einem Medikament, um eine zweite Welle zu verhindern“, sagte der Kanzler. „Wir sind unseren Steuerzahlern verantwortlich und lehnen daher eine Schuldenunion über die Hintertüre ab. Aus diesem Grund braucht es eine klarere zeitliche Befristung als derzeit vorgesehen. Wir treten auch ein für günstige Kredite statt Zuschüsse.“ Er werde sich weiterhin eng mit den Premierministern der Niederlande, Dänemarks und Schwedens abstimmen.

„Die Brücken, die wir noch zu bauen haben, sind groß“, sagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel anschließend laut dpa. Mitte Juli werde weiter verhandelt. Deutschland übernimmt ab Juli für sechs Monate den EU-Ratsvorsitz. Es seien noch eine Reihe von Fragen zu klären, sagte die Kanzlerin am Freitag in Berlin nach der Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs. So müsse noch die Datenbasis genauer geklärt werden, auf die sich die Zahlungen bezögen. Man sollte auch soweit wie möglich die Schäden mit einbeziehen, die durch die aktuelle Krise entstanden seien.

Der italienische Premier Giuseppe Conte hat in seiner Ansprache beim Video-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag für eine Einigung zum EU-Wiederaufbauplan bis Juli plädiert. „Der Vorschlag der EU-Kommission ist fair und ausgewogen. Das Abkommen muss bis Ende Juli abgeschlossen werden“, sagte Conte.

„Bei dieser Diskussion von historischem Ausmaß darf keine Gruppe von Ländern die Oberhand gewinnen. Europa in seiner Ganzheit muss mit der Kraft seines ehrgeizigen Vorschlags siegen“, sagte Conte in Anspielung auf die „Sparsamen Vier“ – die Nettozahler-Allianz von Österreich, Niederlande, Schweden und Dänemark.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron habe darauf beharrt, dass – wie von der EU-Kommission vorgesehen – 500 Milliarden der EU-Coronahilfen als Zuschüsse verteilt werden, hieß es in Ratskreisen. Der niederländische Premier Mark Rutte forderte nach Angaben von Diplomaten andere Kriterien für die Zuteilung der Hilfen. Er wandte sich insbesondere dagegen, die Arbeitslosenzahlen von 2015 bis 2019 heranzuziehen, sondern verlangte diesbezüglich neue Vorschläge von der EU-Kommission. Auch der tschechische Premier Andrej Babis habe sich ähnlich geäußert, hieß es weiter.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich trotz fehlender Einigung zufrieden, sie freut sich auf die nächsten Schritte. Die EU-Führungsspitzen seien einer Meinung, dass die ernste Situation eine „ehrgeizige gemeinsame Antwort“ erfordere, die „Solidarität, Investitionen und Reformen“ kombinieren, sagte sie nach dem Gipfel.

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