EU-Kommission: Polen setzt EuGH-Anordnung nicht um

Im Streit um die polnischen Justizreformen gibt die EU-Kommission nicht nach. Nach Ansicht der Brüsseler Behörde setzt Warschau eine einstweilige Verfügung des Europäischen Gerichtshofs zu den umstrittenen Disziplinarkammern nicht vollständig um.

EU-Justizkommissar Didier Reynders habe daher in einem Brief an die polnische Regierung um Erklärung gebeten, sagte ein Sprecher am Montag.

Das höchste EU-Gericht hatte Anfang April entschieden, dass die Disziplinarkammer ihre Arbeit zunächst aussetzen müsse, weil sie möglicherweise nicht unabhängig sei. Die EU-Kommission, die in der Staatengemeinschaft die Einhaltung des gemeinsamen Rechts überwacht, hatte den EuGH zuvor in der Sache eingeschaltet.

Der Kommissionssprecher kritisierte, dass die Disziplinarkammer in einigen Fällen weiterarbeite, und die entsprechenden Paragrafen des nationalen Gesetzes weiter angewendet würden. Zudem sei nicht garantiert, dass die von Polen getroffenen Maßnahmen bis zum endgültigen EuGH-Urteil in Kraft blieben, da sie Gegenstand eines Urteils des polnischen Verfassungsgerichts seien.

Die nationalkonservative Regierungspartei PiS baut das Justizwesen Polens seit Jahren um. Die EU-Kommission klagte mehrfach gegen die Reformen; zum Teil wurden sie vom EuGH gekippt. Darüber hinaus begann die Brüsseler Behörde 2017 ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge. Warschau zeigte sich bisher wenig einsichtig.

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Die Disziplinarkammer ist ein Schlüsselelement der PiS-Reformen. Sie kann jeden Richter oder Staatsanwalt entlassen. Die Mitglieder der Kammer werden vom Landesjustizrat ausgewählt. Dieser soll eigentlich die Unabhängigkeit der Richter garantieren. Früher hatten in ihm Richter die Mehrheit, die von anderen Richtern gewählt wurden. Doch seit der PiS-Justizreform Ende 2017 werden die Mitglieder des Landesjustizrats vom Parlament gewählt.

Am Dienstag will sich die Disziplinarkammer des Obersten Gerichthofs damit befassen, ob die Immunität des Warschauer Bezirksrichters Igor Tuleya aufgehoben wird. Tuleya ist ein Kritiker der Justizreformen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Kompetenzüberschreitung vor.

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