Europa braucht neuen Vertrag!

Europaministerin Edtstadler für große EU-Reform und Abkehr von Einstimmigkeit

Edtstadler: Es geht in die richtige Richtung.
Edtstadler: Es geht in die richtige Richtung. © APA/Punz

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) will die Forderung nach einem neuen EU-Vertrag in die EU-Reformkonferenz zur Zukunft Europas einbringen.

Im APA-Interview fordert sie, dass die EU „die großen Themen gemeinsam angeht und die kleinen Themen in den Mitgliedsstaaten lässt“. Zur Migration hofft sie auf einen Vorschlag Brüssels, „der weggeht von einem Verteilungsmechanismus“.

Neue Herausforderungen

„Der Vertrag von Lissabon ist zehn Jahre alt. Inzwischen ist sehr viel passiert in der Welt, aber auch in Europa. Wir hatten eine Migrationskrise, wir hatten eine Wirtschaftskrise. Wir sind mit Fragen konfrontiert, zum Beispiel auch im Bereich Cybercrime, die völlig neu sind und mit denen wir auch erst lernen müssen umzugehen“, sagt Edtstadler.

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Im Bereich der Außenpolitik müsse die EU über das Prinzip der Einstimmigkeit ernsthaft nachdenken, „denn es interessiert die Welt nicht, ob ein kleiner Mitgliedsstaat in der Europäischen Union vielleicht eine minimal abweichende Meinung zu einem Konflikt hat“, findet die Europaministerin.

Schnelle Entscheidungen

Stich.wort

EU-Reform

Die EU-Kommission legte am Mittwoch ihren Plan für die Reformkonferenz zur Zukunft Europas vor. Erstmals seit dem 2002 einberufenen EU-Konvent, der zum EU-Vertrag von Lissabon führte, geht die EU damit wieder interne Neuerungen an. Angelegt ist die Konferenz als „neues öffentliches Forum für eine offene, inklusive, transparente und strukturierte Debatte mit den Bürgern“. Inhaltlich sollen zwei Stränge verfolgt werden: erstens die politischen Prioritäten der EU, und zweitens institutionelle Fragen. Die Konferenz soll am Europatag, dem 9. Mai, beginnen. Im ersten Halbjahr 2022 sollen unter französischer EU-Ratspräsidentschaft Ergebnisse und Empfehlungen der verschiedenen Debatten vorgelegt und die nächsten Schritte entschieden werden. Die EU-Kommission gibt keinen Ausblick, zu welchen Änderungen die Reform konkret führen soll.

Die EU brauche hier schnelle Entscheidungen und ein glaubwürdiges Auftreten. Generell brauche die EU weniger Regeln, an die sich dann aber alle halten. “Wir werden unsere Währungsunion nicht stabil halten können, wenn sich nicht alle tatsächlich an die Budgetvorgaben halten. Wir werden die Migrationskrise nicht bewältigen können, wenn nicht alle tatsächlich bereit sind, einen Beitrag zu leisten.”

Quoten vom Tisch

Edtstadler erwartet, dass verpflichtende Flüchtlingsquoten in der EU vom Tisch sind. Es werde einen Vorschlag der Kommission geben, der anders sein wird als der bisherige, sagte sie. „Jeder muss einen Beitrag leisten, und man muss die Lasten ausgleichen und auch denen vor Ort helfen, die am meisten mit den Ankommenden beschäftigt sind.“ Österreich sei nicht gegen die Seenotrettung, so Edtstadler weiter. Solange aber die Seenotrettung ein sicheres Ticket nach Europa sei, würden Menschen immer wieder auf wackelige Boote steigen und den gefährlichen Weg in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa wagen.

Sanktionen ultima ratio

Die Frage nach Sanktionen gegen Länder, welche die Dublin-Regeln (Ankunftsland ist für Asylverfahren verantwortlich, Anm.) nicht einhalten, beantwortet Edtstadler als ehemalige Strafrichterin: „Ich weiß, dass manche Dinge nur eingehalten werden, wenn es tatsächlich auch Sanktionen gibt. Ja, es muss auch Sanktionen geben, aber nur als letzte Maßnahme.“ Als Beispiel nennt sie das Artikel-7-Verfahren, das eingeleitet wird, wenn Staaten von der Rechtsstaatlichkeit abschweifen. Edtstadler „Allerdings ist es ein Ultima-Ratio-Szenario, wo schon relativ viel passiert sein muss.“

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