Extremismus, der nicht aufregt

Deutschland misst bei AfD und Linkspartei mit zweierlei Maß

Werbesujet der Kommunistischen Plattform.
Werbesujet der Kommunistischen Plattform. © Screenshot: Facebook

Die de facto schon wieder annullierte Wahl des neuen Ministerpräsidenten in Thüringen war der politische Paukenschlag des jungen Jahres.

FDP-Mann Thomas Kemmerich brach ein Tabu, indem er seine Kür annahm, obwohl sie nicht nur mit den Stimmen der CDU, sondern auch mit denen der AfD zustande gekommen war.

Höcke, der „Faschist“

Das geht gar nicht. Denn die AfD ist das Schmuddelkind der deutschen Politik, mit der alle anderen Parteien nichts zu tun haben wollen.

Tatsächlich ist die AfD nicht bloß rechtspopulistisch, sondern in Teilen rechtsextrem. Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke darf einem Gerichtsurteil zufolge sogar als „Faschist“ bezeichnet werden. Er ist Repräsentant des nationalistischen „Flügel“, den der Verfassungsschutz als rechtsextremen „Verdachtsfall“ eingestuft hat.

Damit gilt die ganze AfD als toxisch, weshalb keine andere Partei mit ihr Bündnisse eingehen will. Zwar ging es in Thüringen nicht um die Bildung einer Koalition mit der AfD, aber allein die Duldung ihrer Zustimmung zu Kemmerich erfüllte offenbar den Tatbestand eines schweren politischen Vergehens.

Die Sensibilität für die rechte Gefahr ist der deutschen Geschichte geschuldet. „Wehret den Anfängen“ ist keine Floskel, sondern gelebte Politik.

Ramelow, der gute Linke

Und so ist nicht ausgeschlossen, dass der am Mittwoch durchgefallene Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) ein Comeback feiern kann. Entweder, weil sich im Landtag doch noch eine Mehrheit für ihn findet, oder weil die Linke so gestärkt aus Neuwahlen hervorgeht, dass er wieder eine Mehrheit mit SPD und Grünen hat.

Sogar aus der CDU tönen Stimmen, Ramelow wieder ins Amt zu hieven. So forderte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) seine Thüringer Parteifreunde auf, eine Verständigung mit der Linkspartei zu suchen.

Das wäre zwar ein Verstoß gegen den 2018 gefassten Parteitagsbeschluss, wonach die CDU „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ablehnt“, aber in Bezug auf die Linke ist die deutsche Extremismus-Alarmanlage weniger scharf eingestellt.

Linksextreme Strukturen

Bodo Ramelow gilt als untadeliger Demokrat, dessen Abgang einer Umfrage zufolge zwei Drittel der Thüringer bedauern. Und mit der Linkspartei zu koalieren, ist zumindest für SPD und Grüne längst kein Problem mehr.

Das ist insofern verwunderlich, als der AfD-„Flügel“ in der Linkspartei nicht nur ein Pendant, sondern mehrere hat. So listet der Verfassungsschutzbericht 2018 unter „Extremistische Strukturen der Partei Die Linke“ sieben Organisationen auf:

  • „Kommunistische Plattform“ (KPF),
  • „Sozialistische Linke“ (SL),
  • „Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí“ (AG Cuba Sí),
  • „Antikapitalistische Linke“ (AKL),
  • „Marxistisches Forum“ (MF),
  • „Geraer/Sozialistischer Dialog“ (GSoD) und
  • das trotzkistische Netzwerk „marx21“.

Was diese Organisationen wollen, beschreiben die deutschen Verfassungsschützer so: „Ziel der KPF ist die Überwindung des Kapitalismus als Gesellschaftsordnung und der Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft.“ Und weiter: „Die KPF verteidigt die Existenz der DDR und sieht diesen ‘sozialistischen Versuch’ als ‘historisch legitim’ an. Was die sieben Organisationen eint, sind „Antifaschismus und Antirassimus“. Allerdings findet sich auf der KPF-Homepage eine verräterische Formulierung: „Antifaschismus und Antirassismus sind für die Kommunistische Plattform ein strategisches politisches Anliegen.“ Ein strategisches Anliegen also, kein prinzipielles. Antifaschismus wird — so wie in der DDR — als ein Mittel zum Zweck der Errichtung einer sozialistischen Diktatur verstanden.

Auch eine Form von Wiederbetätigung. Die aber in Deutschland offenbar kaum jemanden aufgeregt.

Eine Analyse von Manfred Maurer

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