Fasziniert von Grubinger, überwältigt von Bruckner

Bruckner Orchester unter Poschner in Düsseldorf mit Bruckners Vierter und grandiosem Solo-Schlagwerk

Führte seine Musiker wie immer großartig:Dirigent Markus Poschner
Führte seine Musiker wie immer großartig:Dirigent Markus Poschner © Petra Moser

„Endlich wieder hinaus in die Welt, mit den besten unserer Botschafter.“ Landeshauptmann Thomas Stelzer weilte samt Wirtschaftsdelegation unter den Premierengästen in Düsseldorf, wo das Bruckner Orchester am Sonntag sein erstes Konzert der Deutschland-Tour gab.

Großartige Symbiose von Orchester und Solist

Martin Grubinger eröffnete als Solist das Konzert. Spannend wie ein Krimi mit wilden Verfolgungsjagden, überraschenden Wendungen und über allem einer strikten Gesetzmäßigkeit.

Möglich nur durch die Symbiose aus Bruckner Orchester und einem Schlagwerker, dem dieses Feuerwerk, das Konzert für Schlagzeug und Orchester Nr. 23, auf den Leib geschrieben wurde, als er erst 16 war. Komponist Bruno Hartl schenkte dem Schlagwerk-Nachwuchs nichts. Neben Virtuosität, Geschwindigkeit und Wendigkeit fordert sein Stück enorme körperliche Fitness. Grubinger lädt den Saal mit Hochspannung auf.

Im Einsatz mit ihm mehr als neunzig Musiker, darunter fünf weitere Schlagwerker und ein Paukist. „Ein wahnsinnig schweres Musikstück“, meint Posaunist Anton Miesenberger. „Kaum ein anderes hat so viele Rhythmuswechsel und abrupte Pausen, das bedarf höchster Konzentration.“ Es geht um Hundertstel und wie im Spitzensport um die genaueste Linie. Strenge Grenzen, scharfe Pausen, Präzision ziehen in Bann, ein Bannstrahl, der aber genauso auf leichten Fluss und sanfte Melodien zielt.

Begeisterte Konzertbesucher: Landeshauptmann Thomas Stelzer und Oberbürgermeister Stephan Keller (r) vor der Tonhalle in Düsseldorf © Land OÖ/Schaffner
Begeisterte Konzertbesucher: Landeshauptmann Thomas Stelzer und Oberbürgermeister Stephan Keller (r) vor der Tonhalle in Düsseldorf © Land OÖ/Schaffner

Dass die Marimba perlt, tanzt, lacht, alles kann, was tänzerische Leichtigkeit trotz rasendem Tempo ausmacht, kennt man aus Grubingers Repertoire. Hier führt sie zudem Gespräche, raunt, flüstert, murmelt und dreht auch einmal richtig wütend auf. Ein Gongnachhall verweht mit den Streichern. Die pünktlich abgestimmten Pizzicati im fein getunten Dialog mit der Piccoloflöte klingen „molto espressivo“.

Härtestes Metall klingt weich, verhallt in einem Zauber. Wie sanfter Regen verklärt die Marimba die Atmosphäre. Stille. Wesen der Komposition ist eine extreme Dichte. Alle Instrumente sind fast immer im Einsatz in allen Stimmungs-, Tempo- und Tonlagen. Auf Fortissimi folgen unvermittelt zerbrechlich feine Passagen. „Nur ja nicht technisch werden“, lautete die Anweisung des Dirigenten Markus Poschner bei der Generalprobe. Das Bruckner Orchester füllt diesen fulminanten Erguss mit Leben, überragende technische Brillanz erweist sich als selbstverständlich.

Bruckner entkernt von Pathos, klar & geradlinig

Der zweite Teil des Konzerts gehört Anton Bruckner. Seine vierte Symphonie, die „Romantische“, liegt in der DNA des Bruckner Orchesters. Kaum jemand reflektiert so intensiv über die riesenhaften hoch differenzierten Partituren mit ihren vielen Fassungen wie Dirigent Markus Poschner.

Die Tonhalle Düsseldorf, früher Rheinhalle, gehört zu den schönsten Beispielen expressionistischer Baukunst. Im früheren Planetarium wurden schwebende Holzpaneele eingebaut, um die Akustik unter der Kuppel in den Griff zu kriegen. Optisch und akustisch ein Raum, in dem Bruckners Klanguniversum entstehen kann. Der Hornruf am Beginn gilt allen. Posaunen errichten Kathedralen. Durch das leichtfüßig tänzerische Scherzo zieht der Wind, Vögel zwitschern, man weiß, dass die Musik direkt aus der Natur kommt. Bruckner freigelegt, entkernt von Pathos, so klar und geradlinig wie die Natur selbst. Überwältigung wird nicht provoziert, sondern entsteht als unweigerliches Ergebnis des Hörens.

Der Freiraum für Sinnlichkeit und Emotion entsteht in jener Dringlichkeit, die Poschner höchstes Anliegen bedeutet. Feinstens ausbalanciert sind Blech und Streicher. Sakralisierung, geweihte Rauchschwaden, idealistische Überhöhungen mag der romantische Hörer empfinden, Poschner drängt es nicht auf, das Wesen dieser Interpretation ist eine Einladung, der man unweigerlich folgt.

Fasziniert zeigt sich das Publikum von Grubinger, überwältigt von Bruckner.

Das könnte Sie auch interessieren